Paul Nizon «Die Republik Nizon, eine Biographie in Gesprächen, geführt mit Philippe Derivière, Haymon

«Ich lasse mich gehen, sehe mich sinken und klammere mich ans Schreiben, um nicht Schiffbruch zu erleiden.»

Paul Nizon, von dem einige sagen, er hätte längst den Nobelpreis verdient, gastierte unter anderem im thurgauischen Gottlieben und in Winterthur, wo er aus seinen bei Suhrkamp erschienen «Journalen» und dem bei Matthes & Seitz erschienen Buch «Parisiana» vorlas. Eine beeindruckende Reise in den «Kosmos Paul Nizon». Der 1929 geborene Sprachmagier liest und erzählt mit Witz und Schalk hinter dem Mikrophon und erklärt, dass ihm das Schreiben ums Schreiben genauso wichtig geworden ist wie alles andere, was sich in und um ihn abspielt. Paul Nizon setzt sich mit seinem Sein auseinander, seinem Leben, seinem Tun, seinem Schreiben, dem langen Ringen um Sätze, Klang und Gestalt, mit seiner Gegenwart, der Liebe und der Frage nach dem Warum. So sehr er sich aus der Enge der Schweiz distanzieren musste, Paris als ideale Distanz erschien, wählt Paul Nizon in seinem Schreiben die Enge, den Blick aus der Distanz auf die inneren Welten eines Schreibenden, eines Ringenden um Worte und Formulierungen. Nizon ist ein Musiker des Wortes. Sein Schreiben ist Melodie, seine Texte Sound, genügen sich auch ohne Plott und linear erzählte Geschichte.

«Mich interessiert einen Dreck, was nicht literarisch explodiert.»

Sein Schreiben ist die Spur seiner Einsicht. Paul Nizon ist aber nicht einfach Betrachter seiner selbst, seiner Innenwelten, von seiner Nabelschau gefangen, sondern ein Beobachter seiner selbst. Nizon interessiert sich nicht für das Autobiographische, sondern betreibt Autofiktion. Er wolle sich selber, «unbedingt den Saukerl und die animalische, auch die heidnische Seite erforschen». Paul Nizon ist ein Beobachter seiner Welt, der grossen und kleinen in Paris, einer Welt, die stets das Ganze spiegelt. Die Geschichten liegen in den Gesichtern und Gesten der Menschen, denen er mit Distanz oder ganz nah begegnet, seien es seine Lieben, der Kellner in der Brasserie oder die Schriftsteller, die sein Leben und Schreiben beeinflussen.
Seine «Journale» sind ein Eintauchen in die Stadt Paris. Kein sentimentaler Blick, der sich leicht aufdrängen könnte, wenn man so lange wie der Dichter in der Metropole lebt. Paul Nizon, ein Spaziergänger durch die Stadt, durch sein Leben, vorbei an den Menschen, die ihm begegneten, die ihn begleiteten und seinen Weg kreuzten.

«Zu schreiben, was ich weiss, hat mich nie interessiert.»

Paul Nizon ist ein Randgänger, zu nichts und niemandem gehörend, ausser seinem Ringen ums Schreiben. In Paris, weil es die Stadt ist, die ihn trägt und schmeichelt, zuhause allein in der «Republik Nizon». Auf die Frage, zu welcher Nation er sich den nun gehörig fühle, meinte Nizon: «Gäbe es einen Pariser Pass, wär er der meine.»

Die vom belgischen Journalisten geführten und von Erich Wolfgang Skwara übersetzten Gespräche sind bei Haymon unter dem Titel «Die Republik Nizon» erschienen. Ein idealer Einstieg ins Werk des grossen Auslandschweizers, der von sich behauptet, als Schriftsteller geboren worden zu sein. Er sei zum Schreiben vorbestimmt gewesen, ein Auserwählter, ein Verdammter.

Paul Nizon, geboren 1929 in Bern, lebt in Paris. Der »Verzauberer, der zur Zeit größte Magier der deutschen Sprache« (Le Monde) erhielt für sein Werk, das in mehreren Sprachen übersetzt ist, zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, u. a. 2010 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur und 2014 den Schweizer Grand Prix Literatur. Zuletzt erschienen bei Suhrkamp: Urkundenfälschung (Journal, 2012), Goya (2011), Romane, Erzählungen, Journale (2009), Die Zettel des Kuriers (Journal, 2008), Das Fell der Forelle (Roman, 2005).