Im Laufe eines Schriftstellerlebens muss es Geschriebenes geben, das schlicht zu schade, zu wertvoll ist, um bloss in einer Schublade oder Datei dahinzudämmern. Texte, die aus welchen Gründen auch immer nie den Weg zwischen zwei Buchdeckel finden. «Zwischenergebnis» ist nach Janko Ferks sechzigsten Geburtstag ein Geschenk an seine Leser. Texte, die reizen, kitzeln, verunsichern und provozieren.
In einem der Texte begegne ich Franz K., der in seiner unsäglichen Enttäuschung über die Welt seinen Keller zu einem Schreibgefängnis ausbaut. Drei Zellen mit allem Nötigen darin, einem Durchschlupf, durch den man kriechen muss, in ein Loch, abgeschirmt von allem, was einmal Realität war. Ein Mann, der das Schreiben anderer ernten will, um es in Büchern unter die Menschen zu bringen, lockt drei Männer in sein Haus, schliesst sie in seine Höhlen ein; einen «Vorlauten», einen «Ruhmsüchtigen» und einen «Hungrigen». Dort vegetieren sie, zuerst laut protestierend, dann immer leiser werdend. Und erstaunlicherweise beginnen sie tatsächlich zu schreiben, so wie jeder Schreibende nicht zuletzt aus Not(wendigkeit) zu schreiben beginnt.
«Beim Schreiben bleiben die Augen im Kopf.»
In seiner Prosasammlung ist dies nicht der einzige Text, der sich in irgend einer Weise an den unumstrittenen Fixstern im Schreiben Janka Ferks anlehnt, an Franz Kafka. Es sind intensive Auseinandersetzungen mit dem Schreiben, seiner Sprache, dem einzigen Instrument, mit dem der Schriftsteller über das eigene Selbst hinaustreten kann. Manche Texte sind Miniaturen, die nach Innen oder Aussen strömen, die Geheimnisse bergen und solche offenbaren. Texte, in denen klar wird, dass Schreiben so existenziell wird wie Lieben, Sterben und der Tod.
«Das Schreiben gibt ihm seine zweite Hälfte zurück. Vielleicht die erste.»
Die Geschichte eines Mannes, der in seinem Testament fordert, man möge ihn mit Gesicht nach unten in den Sarg legen, sein letzter und unbedingter Wille. Ein Wille, der seinem eigenen Handeln verwehrt ist. Nicht einmal seine Frau, die als einzige keine einzige Träne zu vergiessen scheint, auch nicht der Leichenredner, sie alle bringen ihn nicht in die Lage, die er vor seinem Tod zum letzten Willen machte. Der letzte Wunsch wurde ihm abgeschlagen.
Janko Ferks Geschichten sind wohltuende Fragmente, die sich nicht darum scheren, nach der Lektüre Ordnung zu hinterlassen. Janko Ferk skizziert genau, unterlegt seine Texte mehrschichtig mit maximalem Spielraum zur Deutung. Janko Ferks Texte sind ein tiefgründiger, unterhaltsamer, vielschichtiger Spaziergang durch das Denkarchiv eines Wortkünstlers. Als ginge man durch lange Flure mit unzähligen Regalen, in denen fein säuberlich beschriftete Archivboxen stehen, die mit allerhand Textmaterial gefüllt sind.
«In mir: das Schriftstellergefühl, das beglückt und zufrieden macht. Ich schwebe in der ‹Raumundzeitlosigkeit› und preise die Gesetze, die ‹hierundjetzt› für mich gelten.»
Ein Schriftsteller sitzt an einem Tisch und schreibt ein Buch. Das ist ebenso Mythos, wie der bildende Künstler, der vor einer Leinwand steht und ein Meisterwerk malt. Die Prosasammlung ist ein Bilderreigen nie gezeigter Bilder in den unterschiedlichsten Formaten. Janko Ferks Texte passen einzeln nicht in ein Gefäss. Aber gemeinsam werden sie zu einem Schaufenster seines Schaffens, ein Geschenk des Schriftstellers zu seinem 60. Geburtstag an seine Leserinnen und Leser.
Janko Ferk (1958) ist Richter des Landesgerichts Klagenfurt, Honorarprofessor und Schriftsteller. Bisher hat er mehr als zwanzig Bücher veröffentlicht, zuletzt die Monographie «Recht ist ein «Prozeß». Über Kafkas Rechtsphilosophie», sowie die Essaysammlungen «Kafka und andere verdammt gute Schriftsteller» und «Wie wird man Franz Kafka?» Seine neueste literarische Veröffentlichung ist die «Forensische Trilogie» (Edition Atelier, Wien 2010). Für seine literarischen und wissenschaftlichen Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Literaturpreis des P.E.N.-Clubs Liechtenstein.
Beitragsbild © Sandra Kottonau