Container25 Wolfsberg A, Sommerfest: Maja Haderlap

Maja Haderlap gewann 2011 nicht nur den Ingeborg-Bachmann-Preis und in der Folge viele andere Preise, sondern brachte in Kärnten einen Stein, einen Fels zum Rollen, dessen Wirkung noch immer im Land zwischen den Sprachen, zwischen Deutsch und Slowenisch nachhallt.

Es gibt Bücher, die auch nach Jahren nichts von ihrer Aktualität, ihrer Wichtigkeit, ihrer Gültigkeit einbüssen. Der Roman «Engel des Vergessens» von Maja Haderlap ist einer davon. Er wird auch in Jahrzehnten ein Meilenstein der Literatur sein, wird in Schulen gelesen werden, als Beispiel dafür, was Literatur auszulösen vermag. Im besten Fall den endgültigen Versöhnungsprozess zwischen zwei scheinbar so unversöhnlichen Volksgruppen, Literatur als Brückenschlag. Aber zumindest ein Ansporn, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen, mit den Wunden eines Konflikts, die seit Jahrzehnten schwelen und immer wieder einmal von Politik und Medien aufgerissen werden. Emotionen sind noch längst nicht geglättet, selbst bei jener Generation, die «nur» Söhne und Töchter der AgitatorInnen von damals waren. Aber Wundheilung heisst nicht Verdrängen und Vergessen.

In einer Gesellschaft, die geprägt ist von Feindschaft, Unverständnis, Hass und Neid, in der es unter idyllischer Oberfläche brodelt und kocht, in der damit unverhohlen Politik gemacht wird und man Schuldzuweisung und Abschottung zur obersten politischen Strategie erklärt, erzählt Maja Haderlap unaufgeregt die Geschichte ihrer Familie, ihrer Grossmutter, ihres Vaters, ihrer Mutter.
Im Grenzgebiet zwischen Österreich und Slowenien, wo vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg ein ganzer Landstrich zwischen den Fronten zerrissen wurde, geplagt und gepeinigt von einem Krieg, dessen Fronten sich mitten durch Ortschaften und Familien zogen, spielt «Engel des Vergessens». Von einem Mädchen, dem man über die Jahre in dem Tal in den Südkärntner Karawanken folgt, das verstehen lernt, was Geschichte anrichten kann, nicht nur regional, sondern überall, wo Hass und Krieg sein Opfer sucht.

An diesem Abend, begleitet vom Gesang eines Männerchors aus der Nachbargemeinde ihres Heimatortes, las Maja Haderlap auch aus dem letzten von ihr veröffentlichten Gedichtband «langer transit». Gedichte, die Geschichten erzählen, die Stimmungen wiedergeben, Momente, in denen sich die Autorin auf sich und die Welt einlässt. Maja Haderlap, die früh mit dem Schreiben von Gedichten begann, begleitet das Schreiben von Gedichten schon Jahrzehnte, eine Form der Kommunikation mit Vergangenheit, Sprache, Natur und Momenten, aber nicht einfach Betrachtungen, sondern intensive Auseinandersetzungen, die sich bis ins Politische ausweiten. Maja Haderlap zeigt eindrücklich, wie sehr sich Lyrik einmischen, einbringen und einsetzen kann.

was war

einmal im jähr,
wenn lesezeichen
aus meinen büchern fallen
mit vermerken wie
zählfarne,
registraturnelken;
nesselkammern,
kehre ich in kein dorf zurück.

auf aufgeschlagenen seiten
vergilbten geschichten,
die ihre waffen abgelegt haben,
den spott, den aufruhr,
den tanzschweiss,
der von den schläfen
der tänzer tropfte.

ich ziehe meinen roten kittel an,
stülpe die haare
wie einen strauch über den kopf,
trage schmutzige socken
und stiefel, die einem mann
passen könnten.
ich rieche das schweinefett
in den ungelüfteten küchen,
probiere namen aus
und ihre schattengeschichten,
die einmal losgetreten,
poltern
wie treibendes holz.

am hofeingang bleibe ich stehen.
dort habe ich einen stein
hingelegt, mit einer furche
in kalk eingeschlossen,
die mich erinnern soll,
woher ich kam.

(aus «langer transit» von Maja Haderlap, 2104 Wallstein Verlag, mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags)

Maja Haderlap, geb. 1961 in Eisenkappel/Zelezna Kapla (Österreich). Nach dem Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien war sie zwei Jahre Herausgeberin der Literaturzeitschrift Mladje und arbeitete danach 15 Jahre als Chefdramaturgin am Stadttheater Klagenfurt. Sie unterrichtet an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt.
Maja Haderlap veröffentlichte auf Slowenisch und Deutsch Gedichte und Essays sowie Übersetzungen aus dem Slowenischen.

Beitragsfoto © Max Amann