Christina Ammann «kartentraum.ch»

In St. Gallen treibt Christina Ammann das Schreiben auf die Spitze. In der Kloster-, Bibliothek und Buchstadt. Ihre Arbeiten sind es wert, in einem Interview vorgestellt zu werden. 

Christina, du schreibst. Das tun viele. Und alle taten es zuerst als Kinder, spätestens in der Schule. Fast alle schreiben auch als Erwachsene, müssen es, aber immer weniger von Hand. Handschriftliches ist selten geworden, bringt Menschen zum Staunen. Was bedeutet dir dein handwerkliches Schreiben, deine „Kunstschrift“ und wann wurde klar, dass du daraus eine Meisterschaft machen willst?

Die Kunst des Schön-Schreibens hat mich als Kind schon fasziniert. Aber Schreiben gehörte damals nicht zu meinen Hobbys.
Vor 14 Jahren habe ich angefangen, Karten zu gestalten, zuerst noch mit Motivstempel.
Während ich 2012 viel Zeit brauchte, um mich von einem Unfall zu erholen, spürte ich, wie in mir das Bedürfnis wuchs, kreative Grenzen zu überschreiten und mein eigenes «Ding» zu machen. Da kamen erstmals Tinte und Feder ins Spiel. Ich besuchte verschiedene kalligraphische Kurse. Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, handschriftlich – ob analog oder digital – ist mein Weg. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht einen Stift oder Pinsel in der Hand halte. 

Wie arbeitest du? Sitzt oder stehst du wie in einem mittelalterlichen Kloster an einem hölzernen Schreibpult mit Tintenfass und Feder?

Ich bevorzuge das Sitzen. Ich habe es noch nie ausprobiert, im Stehen zu schreiben. Aber vielleicht sollte ich es einmal versuchen. Da ich mich seit über einem Jahr intensiv mit dem digitalen Handlettering befasse, ist mein Arbeitsplatz flexibler geworden. Mit dem iPad kann ich auf dem Sofa, im Zug oder im Sommer im Liegestuhl arbeiten.
Arbeite ich mit Tinte und Feder, so ist ein solider Tisch klar das Nonplusultra. Mein Kreativzimmer ist noch nicht bezugsbereit, deshalb muss ich die kalligraphischen Arbeiten noch am Esstisch ausführen.
Der Vorteil des iPads (digitales Handlettering) gegenüber Tinte und Feder ist, dass ich das Tablet überall mitnehmen kann und dazu nur noch einen (digitalen) Stift benötige.

Was sind das für Anlässe und Anfragen, für die du dein Handwerk zur Verfügung stellst? Könnte man dich auch bitten, einen Liebesbrief an jemanden zu schreiben? Oder ist das schon passiert?

Die Aufträge und Anfragen sind sehr vielfältig. Von der Hochzeitspapeterie, über einzelne Karten zu speziellen Anlässen, Visitenkarten, Couverts bis hin zu personalisierten Christbaumkugeln ist alles gefragt. Auch Vorlagen für Tattoos, Logos und Buchzeichen habe ich schon gestaltet. Das macht das Ganze so spannend und einzigartig.
Ich könnte durchaus einen Liebesbrief schön schreiben, texten würde ich allerdings nicht. Tatsächlich hatte ich schon einmal einen Auftrag für eine Karte mit einer Liebesbotschaft. Das war sehr berührend und speziell, da ich auf diese Weise an einem wunderbaren Moment teilhaben durfte. 

Du hast deine Handschrift zur Kunstschrift veredelt. Und doch unterscheidet sich deine Handschrift, dein Schreiben von „klassischer „Kalligraphie“. Wohin soll es gehen, wenn du deinen begonnenen Weg weiterträumst?

Es gibt bei jedem Tun, ob das malen, schreiben oder eine andere kreative Tätigkeit ist, gewisse Vorgaben, die man beachten sollte, um ein stimmiges Ergebnis zu erhalten.
Bei mir selbst habe ich festgestellt, dass es mich blockiert, wenn ich mich zu eng an «Vorgaben» halte. Ich war mit dem Ergebnis erst zufrieden, wenn ich etwas gefunden hatte, das eben nicht nur der Regel entsprach. Dadurch bin ich entspannter geworden und habe meinen eigenen Stil gefunden.
Vieles habe ich mir inzwischen auch selbst beigebracht. Im Vordergrund sollen die Freude und der Spass am Tun stehen.
Wo mich das hinführt? Mir ist wichtig, in diesem Schreiben mir selbst zu begegnen, mich auf den Moment einzulassen, Gefühle, die das Kreative auslöst, anzunehmen und ins Werk mit einfliessen zu lassen. Auf sich vertrauen und sich selber bleiben gehört zum kreativen Prozess. Und wenn ich mit meinen Werken andere Menschen berühren kann, ist das umso schöner. 

So wie meine handschriftlichen Literaturblätter sind deine Arbeiten ein eigentliches Gegengewicht zu all dem Digitalen, Gedruckten, Wegwerfpapierigen. Auch wenn dieses Gegengewicht noch leichtgewichtig ist, spürt man bei jenen, denen es gefällten Zauber, der von diesen Arbeiten ausgeht. Vielleicht berührst du eine Sehnsucht, ein bisschen Heimweh nach dem Echten, dem Greifbaren. Ein Wort, ein Sattsein Text wird zum Unikat. Steckt in deinem Tun auch ein Funke Widerstand?

Ich spüre in meinem Tun keinen Widerstand. Vielmehr öffnet mir die Verschmelzung von digital und analog neue Türen. So kann ich digital etwas gestalten, das ich mit Tinte und Feder vollende oder auch umgekehrt.
Mit handschriftlichen Arbeiten, sei das Kalligraphie/Handlettering, ob digital oder analog, möchte ich den Menschen zeigen, dass eine Karte schreiben etwas sehr Schönes ist.
Während des Schreibens ist man mit seinen Gedanken bei dieser Person, schenkt ihr Zeit, und das ist ein unbezahlbarer Moment.

www.kartentraum.ch

info@kartentraum.ch