Alina Bronsky „Baba Dunjas letzte Liebe“ Roman, Kiepenheuer & Witsch

Am 26. April 1986, vor ziemlich genau 30 Jahren, explodierte einer der Kernreaktoren im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl. Was damals geschah, wird noch über Jahrhunderte weiterstrahlen. Und da längst keine Soldaten mehr die Todeszone hermetisch abriegeln, gibt es Menschen, die zurückkehren, so wie Baba Dunja, eine alte, ehemalige Krankenschwester. Und weil Wissenschaftler, Fotographen und Reporter die Frau nicht so alleine lassen, wie sie es sich wünscht, bleibt sie nicht die einzige, die im Niemandsland ein altes oder neues Zuhause findet. Ein bunter, loser Haufen weg von aller Zeit, allen Terminen, allen Pflichten. Und trotzdem kümmert sich Baba um die Menschen im Dorf, aber auch um ihre Enkelin Laura, die sie noch nie sah. Wer besucht schon die Verrückten in der Todeszone. Bis Fremde im Dorf auftauchen und ein Toter die Menschen vertreibt. Alina Bronsky schrieb einen unterhaltsamen, komischen Roman übers Niemandland, ein Zwischenland,  auch zwischen der Zeit, irgendwo zwischen der Vergangenheit und der drohenden Zukunft.

 

Anthony Doerr „Memory Wall“ Roman, C. H. Beck

Harold ist seit ein paar Jahren tot. Er starb, nachdem er im südafrikanischen Niemandsland ein wertvolles Fossil geortet hatte. Seine Frau Alma interessierte sich kaum für die Leidenschaft ihres Mannes, erst recht nicht, nachdem sie alleine immer tiefer in eine Demenz zu rutschen begann. In ihrem grossen Haus, an einer langen Wand aus Fotos, Zettelchen und Erinnerungskassetten, einer «Memory Wall», scheint sich nicht nur ihr ganzes Leben, sondern auch das überaus wertvolle Fossil zu verbergen. So sehr sich zwei Gauner über die schwindenden Erinnerungen der alten, immer einsamer werdenden Dame hermachen, verliert der getreue, schwarze Diener Pheko durch das Vergessen der alten Frau seinen Arbeitsplatz, den Platz, den er sich über Jahrzehnte durch Treue, Fleiss und Redlichkeit erhalten hatte. «Memory Wall» ist ein Buch über die Zeit, über Erinnerungen, die das Leben ausmachen. Darüber, wie sehr Demenz Menschen in Isolation und Unmenschlichkeit stossen kann. Anthony Doerrs Buch ist in naher Zukunft angesiedelt, einer Zeit, in der man durch einen Stimmulator gespeicherte Erinnerungen abrufen kann, auch fremde. Ein schmales Buch, eine Novelle. Aber Anthony Doerr reisst grosse Fragen an, spannend erzählt.