Kuno Roth «Im Rosten viel Neues», Plattform Gegenzauber

Rotgoldene Streifen
über Hügelkuppen,
Seidenschal
im schwindenden Tag.

Sehr oben, sehr nah
die haarscharfe Sichel
des ganz geahnten Mondes.

Sie liegt im Himmel,
eine aufgeschnittene Porzellanschale
mit angedeuteter Eiskugel:

Mango!

 

Keine Zeit,
das Fallholz
des Winters
bleibt
unbeachtet
liegen.

Steig aus
brausenden Augenblicken
ein in stille Minuten.
Lass sie wachsen
zu Zeiträumen.

Räum Zeit auf,
schirm dich ab,
gib den Augen
Atem
Pause.

 

Alles log, o!

Neulich
im Blog:
Ana log digital.
Auch Mono log,
er betrog sich selber.
Kata log dagegen
wie gedruckt.
Nur das Dia log
vorbildlich.

 

Wen kümmert’s?

Ich kümmere mich um mich.
Du kümmerst dich um dich.
Er kümmert sich um sich.
Sie kümmert sich um sich.
Wir verkümmern.

Zu sagen
euch Ungeborenen
werde der Kirschbaum
auch noch blühen,
ist Hoffnung
oder Stimmungsmache.

 

Dasselbe

Singvögel pfeifen dasselbe
Lied vom Tannenzweig
wie von der Stromleitung.

Stellen nicht fest,
meinen nicht,
singen.

Nur Bühne
und Kulissen
ändern sich.

 

Kuno Roth würzt seine hintersinnigen, wohl dosierten Gedichte mit einer Prise Heiterkeit, einem Schuss Nachdenklichkeit und einem Körnchen Gesellschaftsskepsis. In seinen prägnanten Versen über Natur und Technik, Liebe und Verlust, Politik und Wirtschaft erweist er sich als versierter Stilist. Dieser Lyriker beherrscht die von ihm bevorzugte Form der Kurzgedichte. Mit Lakonie, Humor und Pointiertheit gelingt es ihm, selbst komplexe Lebensphänomene poetisch auf den Punkt zu bringen.»Klima Vista» heisst der neue Gedichtband von Kuno Roth, der im September 2020 beim Verlag Prolyrica.ch erscheinen wird. (Hier ein Blick in die Vorschau)

Kuno Roth, Jahrgang 1957, lebt in Bern und Solothurn. Der ehemals promovierte Chemiker ist heute als Humanökologe, Umweltbildner sowie Schriftsteller tätig und arbeitet als Mentoring-Verantwortlicher bei Greenpeace International. Er schreibt vornehmlich Gedichte und Aphorismen sowie Glossen und Kolumnen.