Meyer vs Bierce, Wörterbücher

Es gab einmal eine Zeit, in der sich das selbstbewusste Bürgertum vielbändige Lexiken kaufte, ob sie gebraucht wurden oder nicht, um Wissen und Geist zu demonstrieren. Das Mass aller Dinge war der Brockhaus, den man mittlerweile in Antiquariaten und Brockenstuben nicht mal mehr annimmt. Thomas Meyers «Meyers kleines Taschenlexikon» soll eine Hommage sein an des 1986 letztmals erschienene Meyers Grosses Universallexikon, jenes Nachschlagewerk, dass sich auch der Kleinbürger leisten konnte.

Als Spiel mit dem Grossen gibt Thomas Meyer, der sich mit dem Roman «Wolkenbruchs wundersame Reise in die Arme einer Schickse» ins Bewusstsein der Schweizer schrieb, erst recht mit dem Drehbuch zum gleichnamigen Film, «Meyers Kleines Taschenlexikon» heraus – «150 Stichwörter von A bis Z und ihre schmählichen Bedeutungen».

Zugegeben die Idee hat was, zumal Thomas Meyer von Haus aus Werbetexter ist und es durchaus versteht, Einsichten und Ansichten in allerkürzeste Form zu bringen. Amüsant und auf dem Klo durchaus unterhaltsam; das eine raus, das andere rein. Aber dafür 20 Franken hinblättern ist schon fast frech. Da schätze ich doch Beat Gloors Ratgeber «Erziehung als Aufgabe» für 10 Fr. bei lektorbooks, wo einem versprochen wird, dass alle Fragen bis ins Jahr dreitausend gelöst und in zehn Sekunden auswendig gelernt werden können. Jenes wirklich tiefgründige Buch (Es ist leer!) kostet die Hälfte und ist wenigstens als Notizbüchlein zu verwenden.

vergriffene Ausgabe von 1986, erschienen im Haffmans Verlag Zürich

Wer ein wirklich stacheliges Wörterbuch lesen will, wer stöbern will, wie man es früher tat, als man sich mit einem der dicken Lexiken etwas Wissen anlesen wollte, um beim nächsten Besuch des Vorgesetzten mit Allgemeinbildung zu glänzen, der schaffe sich «Des Teufels Wörterbuch» des US-amerikanischen Schriftstellers Ambrose Bierce an, der 1842 in Ohio zur Welt kam und 1914 irgendwo in Mexiko während der Mexikanischen Revolution von der Bildfläche verschwand. Ambrose Bierce war auch Journalist und hatte ein ausgesprochenes Faible für Horrorgeschichten, die auch hundert Jahre nach seinem Verschwinden noch immer gelesen werden.

Absoluten Genuss aber liefert «Des Teufels Wörterbuch». Viel mehr als bloss eine zündende Idee mit ein paar flockigen Sätzen drin. Hier kann man mit Schaudern schmökern. Vieles, was der Autor 1906 zum ersten Mal unter dem Titel The Cynic’s Word Book verkaufte, hat bis in die Gegenwart nichts von seiner Aktualität und «Allgemeingültigkeit», seinem Biss und seiner Schärfe verloren.

«Bei der Zusammenstellung seiner Misanthropismen ließ «Bitter Bierce» die reine Willkür walten. So folgt auch in der Übersetzung auf die «Braut» das «Brechmittel», auf «Betragen» das Wort «betrügen» und auf den «Erzbischof» der «Esel». Bierce’ Spott gilt sozialen, politischen und charakterlichen Missständen, seine Geißel trifft Machthaber und Autoritäten jeden erdenklichen Kalibers. Mit weit über 1000 Stichworten präsentiert die vorliegende Ausgabe diesen Klassiker der satirischen Literatur so umfangreich wie nie zuvor in deutscher Sprache.» Manesse Verlag

Kein Buch fürs Klo, sonst werden Sitzungen noch viel länger!