Der Hund im Theater
Ich sass in der hintersten Reihe. Der dämmrige Saal füllte sich. Und dieses Auffüllen entpuppte sich als ganz besonderes Schauspiel. Vorne auf der Bühne würde in wenigen Minuten die Première eines Schülermusicals stattfinden. Mehr als 250 Kinder vom Kindergarten bis in die 6. Klasse! Folglich war der Saal voll mit Eltern, Grosseltern, Tanten und Göttis, mit Geschwistern in Windeln und der Behördenvertretung ganz vorne in der ersten Reihe. So gar nicht das übliche Theater- oder Musicalpublikum, das Unterhaltung oder Erbauung sucht, so gar nicht. Seitlich in meinem Rücken stand ein älterer Herr ganz in Schwarz, einer der Lehrer von Kindern, die bald als Giraffen, Zebras oder Erdmännchen ihr Bestes gaben. Neben ihm stand ein ebenfalls älterer Herr mit Lederweste, tätowierten Unterarmen und Charles-Bronson-Schnurrbart. Er fragte den Lehrer, ob es okay wäre, wenn er seinen Hund mit in den Zuschauerraum nehmen wird. Nicht wirklich eine Frage. Während der Angesprochene ganz offensichtlich um Fassung rang, konnte ich mit ein stilles Grinsen nicht verkneifen. Ob er seinen Hund auch ins Kino oder in der Kirche mitnehmen musste? Genügte es nicht, wenn sich in den Reihen vor mir Windelpakete tummelten, das Geschnatter fast ohrenbetäubend war und es in Kürze nicht einmal während der Vorstellung Ruhe oder ein Abklingen von permantem Raus und Rein geben würde? Ein Hund im Theater. Ich schüttelte im Halbdunkeln den Kopf und schmunzelte. Aber nur bis sich der Bronson-Verschnitt mit seinem Schosshündchen direkt neben mich setzte: «Er bleibt schon ruhig. Ist noch viel zu jung, um alleine zuhause zu bleiben.» Er lächelte, ich quälte mich damit. Ich mag keine Hunde. Vielleicht ein Überbleibsel einer kindlichen Angst. So ergab ich mich tapfer meinem Martyrium zwischen röchelndem Schosshündchen mit eingedrückter Schnauze, Zwischenrufen quengelnder Kleinkinder und dem verzückten Winken militanter Mütter.
Gallus Frei-Tomic