Was es bedeutet, wenn Leidenschaft, Feuer und Begeisterung sich von der Bühne in den Zuschauerraum ergiessen, wenn nach einer Lesung alle beseelt und inspiriert den Nachglanz der Veranstaltung geniessen, das erlebte man bei der Lesung von Hildegard E. Keller mit ihrem Roman «Wie wir scheinen» über Hanna Arendt.
Ein letzter Sommer 1975 im Tessin. In Tegna, einem etwas abgelegenen Dorf unweit von Locarno, will Hannah Arendt noch einmal die Ruhe und Abgeschiedenheit in sich aufnehmen. Ausruhen vor der letzten grossen Reise. «Was wir scheinen» ist viel mehr als nur eine Biographie über eine Frau, die sich mit ihren Schriften exponierte und beinahe zerrieben wurde in den Mühlsteinen der Öffentlichkeit. «Was wir scheinen» (Der Titel ist der Anfang eines Gedichts von Hannah Arendt!) ist der Roman über eine Frau, die aufräumt, resümiert, nicht nur in ihren Papieren und Schriften, auch in ihren Erinnerungen, weil sie im Sommer 1975 genau spürt, dass es ihr letzter Sommer sein wird.
Von 2008 bis 2017 war Hildegard E. Keller in den USA, unterrichtete, auch Menschen, die von ehemaligen Flüchtlingen des zweiten Weltkriegs stammten. Zwischen zwei Welten, zwei Sprachen, zwei Kontinenten hat die Autorin über die Philosophin Hannah Arendt zu forschen begonnen und gewagt, der Frau auf dem steinernen Denkmal ihre Lebendigkeit zurückzugeben, einen frischen Blick auf die Frau, die man zu oft bloss auf die eine Schrift, die eine Reise, die eine Begegnung reduziert. Einen Blick auf die Frau, die Denkerin, die Dichterin, Privat- und Ehefrau, auf eine Freundin.
Was war der Preis, den Hannah Arendt zu bezahlen hatte für das Buch «Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen», dass 1963, zwei Jahre nach dem Prozess in Jerusalem gegen den SS-Obersturmbandführer Adolf Eichmann erschienen war, die Reduzierung ihrer Arbeit auf den Begriff der «Banalität des Bösen»? Hildegard E. Keller spürt in ihrem Roman sehr nah der Frau nach, die auf dem steinernen Sockel allzu leicht vergessen wird, einer Frau, die von sich selbst sagte, sie sei eigentlich ein schüchterner Mensch.
Ein starker Abend mit zwei starken Frauen auf der Bühne. Grossen Danke an Hildegard E. Keller und die Moderatorin Cornelia Mechler.
«Der Untersee ist eine glückliche Landschaft. Am 1. Juli durfte ich im Fünfsterne-Literaturhaus meinen Roman WAS WIR SCHEINEN vorstellen, auf dem Podium mit der hellwachen, begeisterungsfähigen Cornelia Mechler. Gallus und Brigitte schmeissen den Laden aufs Allerbeste. Der Abend war unvergesslich, ich danke Gallus und seinem Team von Herzen.» Hildegard E. Keller