Manchmal muss mir der Zufall helfen, dass ich literarische Kostbarkeiten entdecke. So eine Kostbarbeit sind die Prosastücke der Vorarlbergerin Eva Schmidt, erschienen im Mainzer Golden-Luft-Verlag. Nicht nur literarisch ein Kleinod, auch haptisch, in Aufmachung und Gestaltung.
Blättert man in den bereits erschienenen Veröffentlichungen des Verlags, stets fadengeheftet, die Umschläge von KünsterInnen gestaltet, zeigt sich Eva Schmidt in bester Gesellschaft; Franz Kafka, Stefan Zweig, John Burnside… und Eva Schmidt. Das mag Zufall sein. Aber viel eher das verlagseigene, sichere Gespür für Qualität. Für die Qualität in der Kürze, im Eingedampften, Konzentrierten. In dem, was bleibt, wenn nur noch der hochprozentige Sud übrig bleibt.
Auch wenn Eva Schmidt in den letzten drei Jahrzehnten längst zu einem Eckpfeiler der deutschsprachigen Literatur geworden ist, Eva Schmidt zu den Grossen der österreichischen Gegenwartsliteratur gehört, muss man sie noch immer als Geheimtipp deklarieren. Wahrscheinlich deshalb, weil Eva Schmidt weder eine Autorin der grossen Gesten, noch eine der spektakulären Plotts ist. Wer Eva Schmidts Bücher liest, blickt ins pure Leben, in die Normalität, die Stille. Es sind beinahe Standbilder, die die Autorin mit ihrem feinen Blick in den Fokus bringt. Eva Schmidt scheint ein spezielles Gespür für Situationen, Augenblicke zu haben, denen die meisten Menschen keine Aufmerksamkeit schenken würden.

Kein Wunder, tragen einige ihrer Miniaturen Titel der Bilder des amerikanischen Malers Edward Hopper. „Sonne in einem leeren Zimmer“, „Zimmer am Meer“ und „Nachtschwärmer“ setzen seine Bildlandschaft bis hin zu seinen Farben in meine ganz eigene Erfahrungswelt. Eva Schmidts Prosastücke sind literarische Meditationen des Normalen. Kein Sog, kein Rausch, aber hörbare Stille. Sätze, die wie Kristalle spiegeln, ganz klar in der Kontur, im Einen die Vielfalt spiegelnd.
Wer literaisch geniessen will und nicht bloss aus Lust nach Zerstreuung liest, wer die Muse hat, einen Text wirken zu lassen, diesen wie ein Gedicht mehrmals zu lesen, dem ist „Sonne in einem leeren Zimmer“ genau der richtige Stoff, um dem medialen Dauerrauschen zu entkommen. Man wünscht sich ein kleines Podest, auf dem man das schmucke Büchlein auflegen kann, um immer und immer wieder daran vorbeizugehen, um einen Text lang aus dem Herumgerenne auszusteigen.
„Sonne in einem leeren Zimmer“ ist als Titel Programm, wirkt ganz tief. Es wäre der Autorin (und dem Verlag) zu gönnen, wenn die stille Autorin aus Bregenz die Aufmeksamkeit erhalten würde, die ihr zusteht.
Ein Kleinod!
Eva Schmidt, geboren 1952 in Lustenau, lebt in Bregenz, Vorarlberg. Sie debütierte 1985 mit Erzählungen («Ein Vergleich mit dem Leben», Residenz Verlag), der erste Roman folgte erst zwölf Jahre später unter dem Titel «Zwischen der Zeit» (1997). Nach einer Unterbrechung von fast zwanzig Jahren erschienen die beiden gefeierten Romane «Ein langes Jahr» (2016) und «Die untalentierte Lügnerin» (2019), mit beiden war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2019 veröffentlichte sie den Band «Sonne in einem leeren Zimmer», Erzählungen unter dem Titel «Die Welt gegenüber» (2021) und 2025 ihren neusten Roman «Neben Fremden«.
Beitragsbild © Klaudia Longo
