Buchtaufe von «Kapitulation» von und mit Michèle Minelli

Auf der Bühne des Literaturhauses leuchteten Blumen und durch das offene Fenster hörte man Vögel pfeifen. Von Idylle erzählt Michèle Minellis neuer Roman «Kapitulation» nicht. Viel mehr von den Kollateralschäden eines nicht enden wollenden Geschlechterkampfs, mehr oder minder gescheiterter Lebensentwürfe und permanenter Missverständnisse, wie sich Wirklichkeit abbilden sollte.

Eine Handvoll Frauen, die sich nach vielen Jahren wieder treffen sollen, lebten damals für einige Wochen zusammen auf der Mittelmeerinsel Krk, eingeladen von einer Stiftung, sie alle voller Perspektiven und Hoffnungen auf ein Leben als Künstlerinnen. Die Initiatiantin von damals will die Frauen noch einmal zusammenkommen lassen, in Zürich, hergeholt aus ganz verschiedenen Lebensumständen.
Damals glaubten alle auf Krk an eine grosse Zukunft, alles sei offen. Um jetzt, nicht einmal zwei Jahrzehnte später, festzustellen, dass man kapituliert hatte, kapitulieren musste.

In den ersten 200 Seiten begleitet man die Protagonistinnen durch die zwei Tage vor dem ominösen Treffen in Zürich. Michèle Minelli webt einen dichten szenischen Teppich, bis sie sich treffen und aus dem kammerspielartigen Treffen bei gedämmtem Licht eine Katastrophe zu werden droht.

In einem Gespräch, das Adrienne Rytz-Bonnet, die ehemalige Präsidentin der Stiftung führt, fällt der Satz „Wenn eine Frau will, kann sie heute alles erreichen.“ Was sich ein grosser Teil der Gesellschaft wie ein Mantra vorsagt, widerspricht sich ausgerechnet in der Kulturszene, in der es  «Gockel» zuhauf gibt.

„Ich habe keine Kraft mehr, neben Männern funktionieren zu müssen, die menschlich Sosse sind.“

Blumen für zwei Bücher: «Kapitulation» und «Chaos im Kopf»

Mag sein, dass die Lektüre für den einen oder anderen (Mann) als Kampfschrift liest. «Kapitulation» ist aber alles andere als eine Abrechnung, sondern eine schonungslose Analyse dessen, was sich nicht leugnen lässt.

«Im Mai 2012 schlugen einst Blicke auf dem Gallusplatz in St.Gallen Brücken. Diese tragen heute noch. Herzlichen Dank für deine Einladung ins Literaturhaus – zum Glück verstecken die Masken nur die Münder!»
Michèle Minelli

Rezension von «Kapitulation» auf literaturblatt.ch

Rezension von «Chaos im Kopf» auf literaturblatt.ch

Das weitere Programm im Literaturhaus Thurgau

Beitragsbilder © Lauro Zanabria