Schon der Titel des Buches birgt genug Stoff, um eine Diskussion vom Zaun zu reissen. Ein Fest in der Stadt, eine Party. Leben konzentriert sich auf diesen einen Abend, verschiedenste Leben, jedes getränkt von Erwartungen, geprägt von einer Geschichte. Man kommt zusammen, und doch ist jeder allein. Ulrike Ulrichs neuer Roman spürt vielem nach, was in unserer Gesellschaft offensichtlich und unterschwellig kocht – während wir feiern.
Nationalfeiertag in der Schweiz, sowas wie Geburtstag. Ein Fest für Alexa, wie jedes Jahr, die damit auch feiern will, dass sie sich in diesem Land endlich angekommen fühlt. Mit den Vorbereitungen auf dieses Fest allerdings ist Alexa ziemlich allein, so wie Mrs Dalloway im Roman von Virginia Woolf. Adrian hilft nicht mit. Sie ist nicht einmal sicher, ob er an diesem Abend da sein wird. Ist es doch ihr Abend, ihr Lied, das sie an diesem Abend singen wird, ihr Fest, an dem getanzt, geredet, getrunken und geflirtet werden soll. Und weil neben genügend Männern vieles andere auch noch fehlt, ist Alexa alles andere als gelassen; vergessene Grillkohle, die Kleider, die Tische, die Blumen und das Lied, das Guggisberglied.
Alles an einem Tag, fast alles an einem Ort, die Parallelführung verschiedener Leben, Perspektiven, die sich wie bei einem Stafettenlauf den Stab übergeben, ein Teppich aus verschiedensten Biographien, der von Lesern einiges abverlangt. Eine Partygesellschaft noch ohne Mundschutz und doch alle unsäglich weit voneinander entfernt, gefangen in Ängsten, Abhängigkeiten, Einsamkeit und Isolation, genauso wie in Drogen und Zwängen. Ein Raum, der in der Musik pulst, in dem sich der Dunst von Geschichten, Schweiss und Alkohol ausbreitet. Als Leser sehe ich in die Köpfe und Herzen, sehe aus den Augen derer, die an der Party sind, die einen auf der Jagd, die andern auf der Flucht, vor der Welt oder sich selbst.
Ulrike Ulrich und Moderatorin Cornelia Mechler spürten im Gespräch über das Buch den Fragen der Zeit nach. Fragen, die die Schriftstellerin schon in mehreren Büchern nachging, so wie in der 2018 erschienenen Anthologie «Menschenrechte. Weiterschreiben», in der über ein Dutzend AutorInnen in «vielgestaltigen literarischen Interpretationen dazu ermutigen, die Artikel der Menschenrechtserklärung weiterzudenken und den eigenen Standpunkt zu durchleuchten».
Ebenso waren es die kleinen Details aus dem Leben einer Schriftstellerin. So schreibt Ulrike Ulrich gerne und oft von Hand in Cafés, fast immer morgens, um das Geschriebene nachmittags, ein erstes Mal überarbeitend, in den Computer zu tippen.
… und Ulrike Ulrich singt ganz leise, während sie signiert …
Vielen Dank der Schriftstellerin Ulrike Ulrich, der Moderatorin Cornelia Mechler und der umsichtigen Mitgastgeberin Brigitte Conrad.