Unten Getöse oben «Wie der Hase läuft» von Rebekka Salm am Literarischen Spaziergang am 28. Internationalen Literaturfestival in Leukerbad

Der Spaziergang in die Dalaschlucht zusammen mit der Schriftstellerin Rebekka Salm und einer Gruppe Unerschrockener versprach angesichts der Wassermassen, die das Wallis zudeckten, abenteuerlich zu werden.

Man versicherte uns einen gefahrlosen Ausflug in die Schlucht mit hängenden Stahlkonstruktionen, die einem einen spektakulären Blick ins tobende Wasser ermöglichen. Die grossen Wasser seien in den südlicheren Tälern übers Wallis hineingebrochen. Bilder von Zermatt schienen mit einem Mal etwas in die Ferne zu rücken.

Rebekka Salm las während des Spaziergangs zweimal aus ihrem zweiten Roman „Wie der Hase läuft“ und begeisterte dabei nicht nur mit ihrer Geschichte um Familiengeheimnisse, sondern auch mit dem Witz in ihrer Sprache und der Souveränität ihres Auftretens. Rebekka Salm spickte ihre Lesungen mit Anekdoten und der Frage in die Runde, ob wir denn alle sicher seien, dass das uns Erzählte in unseren Familien denn wirklich der Wahrheit entspreche. Dass Alex Capus, als er Rebekka Salms Erstling „Die Dinge beim Namen“ gelesen hatte, meinte „Die Schweiz hat eine neue Erzählerin“ ist mehr als bloss Feststellung.

Wie sehr Leukerbad nicht nur von landschaftlichen oder architektonischen Gegensätzen dominiert wird, sondern in diesen Tagen auch von literarischen, sprachlichen, schien bei diesem Spaziergang für einmal ausgeblendet. Ein Spaziergang vorbei an blühenden Alpwiesen, gemächlich wiederkäuenden, schwarzen Eringer-Kühen, die bloss mit ihren ausgeprägten Hörnen daran erinnern, dass man sie jedes Frühjahr in fünf Gewichtsklassen gegeneinander kämpfen lässt, hoch über die schäumende Dala, die seit Jahrtausenden die Felswände in dieser Talenge ausschleift.

Noch am gleichen Tag begegnen mir auf den betonierten Wegen im vom Geschäft mit Touristen kaputtgebauten Dorf eine blondierte Spaziergängerin mit Regenschirm und Hund. Das Tier ist bis auf die Pfoten in eine Pellerine eingepackt und schaut mich durch einen plastivizierten Seeschlitz an, als würde er um Befreiung betteln. Einige Meter weiter schiesst ein paar Armlängen vor mir ein Rehbock aus der Baubrache eines seit Jahren abgesperrten Geländes über den Weg, springt in eleganten Sätzen über den Weg hinein in eine andere Brache, auf der sich mitten im Dorf das Dickicht eines Jungwäldchens ausbreitet.

Das Internationale Literaturfestival Leukerbad ist für mich deshalb ein Fixpunkt in meinem Terminkalender, weil ich hier Autorinnen und Autoren antreffe, die längst zu Fixsternen des Literaturbetriebs geworden sind, wie Anne Weber, Frank Witzel, Teju Cole, Marlene Streeruwitz oder Thomas Hettche neben Geheimtipps wie Douna Loup oder Rebecca Gisler. Leukerbad wird während dieser Tage zu einem Mekka des Wortes, zu einer Stätte, an der man angesichts der globalen Ungeheuerlichkeiten nach Sprache ringt.