Neben vielen Beiträgen in Anthologien verfasste die 1977 in Siebenbürgen geborene Schriftstellerin Iris Wolff fünf Romane. Ihr Debüt „Halber Stein“ erschien 2012, ihr letzter „Lichtungen“ im Frühling 2024, der nicht nur bei der Kritik grosse Begeisterung auslöste. Mit „Einladung ins Ungewisse“ macht sich die Autorin Gedanken über das Schreiben.
Für ihre fünf Romane, ihr literarisches Engagement, krönte man Iris Wolff mit mehr als einem Dutzend Preise, darunter den Eichendorff und Solothurner Literaturpreis für ihr Gesamtwerk oder 2024 für „Lichtungen“ den Uwe-Johnsen-Preis. Im Zuge der Verleihung des Chassimo-Preises 2023 hielt Iris Wolff zwei Vorlesungen zu ihrer Poetik und eine Dankesrede, die nun in einem schmucken Bändchen unter dem Titel „Einladung ins Ungewisse“ nachzulesen sind.
Es mag viele Gründe geben, dass die einen Schreibenden einen Nerv treffen, bei Leserinnen und Lesern, in der Buchbranche und in der Kritik und andere, selbst wenn sie über Jahrzehnte Buch um Buch veröffentlichen, tapfer, auch wenn die Verkaufszahlen ihrer Bücher nie und nimmer für ein Leben als Autorin oder Autor reichen. Iris Wolff lebt von ihrem Schreiben. Was ist an ihrem Schreiben, dass Iris Wolff nicht nur die Sympathien ihrer Leserinnen und Leser entgegenfliegen? Auch dafür gibt es viele Gründe, auch solche, die mit Schreiben direkt nicht einmal etwas zu tun haben. Wer der Autorin bei einer Lesung begegnet, lernt eine Frau kennen, die ohne jegliche Allüren, ihrem Gegenüber mit viel Empathie begegnet und in einer Mischung aus Zurückhaltung und Ehrlichkeit selbst jene für sich gewinnt, die ihren Büchern skeptisch begegnen.
„Schlimmer als das Verschwinden ist das Vergessen.“
Iris Wolffs Schreiben ist wie ihre Erscheinung, ihr Auftritt; authentisch, ehrlich, direkt und unverkrampft. So auch ihre Gedanken über das Schreiben. In „Einladung ins Ungewisse“ theoretisiert Iris Wolff nichts. „Einladung ins Ungewisse“ ist eine Selbstvergewisserung, eine Schule des Sehens, der Versuch, Fragen nicht endgültig zu beantworten, sondern sie schreibend einzukreisen. Vielleicht ist die Umschreibung „Schule des Sehens“ auch deshalb nicht ganz falsch, weil Iris Wolff einen tiefen Bezug zur Malerei hat, weil es scheint, als würde für sie das Schreiben eine Art des Malens sein. Wer malt, erinnert sich. Wer malt, stülpt nach aussen, was verinnerlicht ist.
Iris Wolff Buchlandschaften gründen in ihren Jahren im rumänischen Siebenbürgen, Bildern aus ihrer Kindheit, Räumen und Landschaften, die sich tief einbrannten. Aber Iris Wolff will nicht einfach abbilden, weder Geschichten, noch Leben, weder Landschaften noch Kulissen. Dass ihr vierter Roman „Die Unschärfe der Welt“ heisst, ist literarisches Programm, denn ihre Bücher reissen schon deshalb mit, weil sie Spielraum lassen, weil sie reiben, weil sie mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Aber auch weil man in ihren Büchern den Respekt vor dem Leben, das Bewusstsein eines unschätzbaren Geschenks spürt. Weil nichts am Schreiben der Autorin abgehoben, vergeistigt oder elitär erscheint. Weil sie mich als Leser ernst nimmt, kein Spiel mit mir treibt. Weil mich die Autorin mitnimmt, denn ihre Erinnerungen sind gespiegelt auch meine Erinnerungen. Weil sich Iris Wolff bewusst ist, wie viel auf dem Spiel steht, wenn das Vergessen zum Programm wird.
„Einladung ins Ungewisse“ macht Mut, nicht zuletzt um die Bücher von Gerhard Meier, Philippe Jaccottet und anderer wiederzulesen.
Iris Wolff, geboren in Hermannstadt, Siebenbürgen. Die Autorin wurde für ihr literarisches Schaffen mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem Marieluise-Fleißer-Preis und dem Marie Luise Kaschnitz-Preis für ihr Gesamtwerk. Zuletzt erschien 2020 der Roman »Die Unschärfe der Welt«, der mit dem Evangelischen Buchpreis, dem Eichendorff-Literaturpreis, dem Preis der LiteraTour Nord und dem Solothurner Literaturpreis ausgezeichnet sowie unter die fünf Lieblingsbücher des Deutschen als auch des Deutschschweizer Buchhandels gewählt wurde. Die Autorin lebt in Freiburg im Breisgau.
Iris Wolff «(Er)zählen», Plattform Gegenzauber
Rezension «So tun, als ob es regnet»
Rezension mit Interview von «Lichtungen»
Beitragsbild © Max Goedecke