Teresa Präauer gehört mit ihren 45 Jahren zu den Grossen der österreichischen Literatur, zur dortigen Kulturszene überhaupt. Sie schreibt Romane, Essays und Kunstbetrachtungen, illustriert und malt. Sie gewinnt Preise und macht sich in ganz eigener Art und Weise Gedanken darüber, wie wir etwas tun – auch in ihrer Preisrede zum Literaturpreis der Stadt Bremen für ihren Roman „Kochen im falschen Jahrhundert“.
Was Teresa Präauer in den vergangenen 20 Jahren schuf und dafür Preise gewann, ist beachtlich. Nicht nur die Vielfalt ihrer Kunst, auch die Kraft, mit der sie zu einer der wichtigsten Exponentinnen der österreichischen Literatur zählt, einer Szene, die wie in kaum einem anderen deutschsprachigen Land derart viel Originalität ausstrahlt.
Teresa Präauer schaut hin, ob sie es schreibend, malend oder zeichnend tut. In ihrer Preisrede zum Literaturpreis der Stadt Bremen, in einem wunderschön edierten Büchlein bei Wallstein herausgekommen, beobachtet sie ihren Grossvater beim Essen eines Apfels und lässt sich verunsichern durch die Fragen ihres Neffen. Wer nicht beobachten kann, wer sich keine Fragen stellen lässt und sich durch diese nicht verunsichern lässt, schreibt auch keine interessanten Bücher, zumindest keine, die ich lesen möchte. Wer mir nur Antworten aufdrängt und mir zu verstehen gibt, dass ich nicht verstehe, wer mir mit seinem Schreiben keine Türen aufreisst und mich zum Nachdenken zwingt, wer mich nicht überrascht und verblüfft, dem bin ich schlicht nicht bereit, meine Lebenszeit zu schenken.
Zugegeben, das Büchelein ist schmal und mit seinen 30 Seiten wahrhaft kein Schwergewicht. Aber was die vielbegabte Künstlerin darin ausbreitet, ist ein Manifest in Sachen Genauigkeit, Hingabe und Bescheidenheit. Teresa Präauer verrät etwas von den Prämissen ihrer Kunst, was ihren Blick auf die Dinge ausmacht. In „Wie man einen Apfel isst“ sind zwei Texte vereint, die etwas davon erzählen, wie ihr Blick sie prägt, woher sie nimmt, was sie später erschafft.
Wie essen sie einen Apfel? Mit Stumpf und Stil oder akkurat in Schnitze geschnitten? Teresa Präauer erinnert sich an ihren Grossvater. Der ass nicht einfach einen Apfel. Das Verspeisen der Frucht war Teil eines Rituals, logische Folge einer Lebenseinstellung, einer Haltung. Er setzte sich an einen Tisch, mit Teller und Frucht vor sich auf dem Tischtuch, hatte ein Küchentuhh auf dem Oberschenkel und ein eigens für dieses Zeremoniell dienendes Taschenmesser. Wie er den Apfel verspeist erinnert an ein japanisches Zeremoniell, sei dies nun zur Teezubereitung oder der Herstellung von Speisen. Das Tun an sich ist schon Teil der Handlung, ein Teil des Genusses. Die Hinwendung und Hingabe an ein Tun. Nicht das Sättigungsgefühl, der volle Bauch ist das Ziel, sondern all die Schritte zuvor. Und all diese Schritte entspringen einer Haltung, einem Bewusstsein, einem tiefen Respekt vor dem Objekt und seiner Verwandlung. Weit weg von Bedürfnisbefriedigung.
Aber was hat das Verspiesen eines Apfels mit dem Schreiben zu tun? Oder was hat die Frage eines Neffen „Kennst du den Zufall“ mit dem Schreiben zu tun? Das Schreiben selbst entspringt einer Haltung, ist Teil einer Haltung. Schreiben als eine demütige Form der Entgegnung? Schreiben als langsame Verinnerlichung. Als ritualisierte Handlung, bei der nicht die Sättigung das Ziel ist. Eine behutsame Auseinandersetzung mit Objekt und Subjekt, ein Tun voller Respekt.
Ich mag Texte, die mich zum Nachdenken einladen. Und „Wie man einen Apfel isst“ lädt ein, die Bücher Teresa Präauers noch einmal aus dem Regal zu nehmen.
Teresa Präauer geb. 1979, studierte Germanistik und bildende Kunst. Im Wallstein Verlag erschienen die Romane «Für den Herrscher aus Übersee», «Johnny und Jean» und «Oh Schimmi» sowie der Großessay «Tier werden», das Geschichtenbuch «Das Glück ist eine Bohne» und der Erzählband «Mädchen», dessen theoretischen Unterbau Präauers Ende 2021 gehaltenen Zürcher Poetikvorlesungen bilden. Sie wurde unter anderem mit dem aspekte-Literaturpreis (2012), dem Erich-Fried-Preis (2017), dem Ben-Witter-Preis (2022) und dem Bremer Literaturpreis (2024) ausgezeichnet. Teresa Präauer lebt in Wien.
Beitragsbild © Martin Stöbich