Am 28. Juli 2019 wird Beat Brechbühl 80. Die 41. Solothurner Literaturtage feiern ihn als Dichter, Schriftsteller, Typograph und Verleger, als kreativen Geist und Initiator zahlreicher kultureller Projekte.
Das übliche Gehetze, so doof
Da wollte ich ein
einziges winziges Mal in diesem Jahr
mit mir gemütlich sein
und einen halben Abend (fast 3 Stunden) lang
nichts tun,
nur für mich was kochen, die
Seele und den Körper baumeln lassen, und
vielleicht einen Krimi –
da! bei ein bisschen Wein und Fernsehen:
schlaf ich ein, drei volle, gar traumlose, Stunden lang – ich
Trottel
(aus «Flügel der Sehnsucht – Alte und neue Gedichte» im Wolfbach Verlag)
Beat Brechbühl wirkt und arbeitet seit Jahrzehnten in Frauenfeld. Mittlerweile in einem Kellergeschoss des Eisenwerks, in prallvollen Räumen, in denen das entsteht, was den Waldgut Verlag und die Bodoni-Blätter unverwechselbar macht; Hier riecht man das Drucken. Hier prägt sich der Druckstock noch ins Papier, hinterlässt die Letter noch eine regelrechte Spur. In einem Gewölbe voller Papier, Schubladen, Setzkästen und Regalen öffnet sich ein Kosmos, wenn man Beat Brechbühl und seine Arbeit, seine Wirkungsstätte, wenn man ihn in seinem geistigen Zuhause besucht. Er sprudelt und schwärmt. Und überall hängen Zeugnisse einer langen Vergangenheit, wichtiger Begegnungen.
«Ich bleibe ein Papiermensch.»
Höchste Zeit, dass sich die Welt der Buchstaben, der Lyrik, der Literatur bei Beat Brechbühl mit einer gebührenden Ausstellung beim Streiter für das Schöne und Gute (und zwar nicht nur im Scheinwerferlicht) bedankt. Wie viele Lyrikerinnen und Lyriker hätten ohne Beat Brechbühls unermüdlichen Einsatz nie eine Stimme bekommen oder man hätte sie im deutschsprachigen Raum rechtlos vergessen.
Das Künstlerhaus S 11 an der Schmiedengasse in der Solothurn zeigt vom 30. Mai bis 16. Juni auf vier Stockwerken eine Ausstellung, die unter dem Titel «Das Leben ist rund wie ein Dreieck» Beat Brechbühls vielfältiges Wirken vor Augen führt und erleben lässt.
Im Parterre wird eine Druckmaschine stehen, die in Brechbühls Atelier Bodoni zu Hause war, bis sie vor etlichen Jahren der Schule für Gestaltung Bern und Biel geschenkt wurde, die sie jetzt für die Ausstellung ausleiht, samt Personal. Hier kann ein Gedicht von Beat Brechbühl gedruckt werden.
In den oberen Stockwerken werden Handpressendrucke und Bücher aus dem Atelier Bodoni zu sehen sein. Zudem gibt es einen kurzen Stummfilm über das Atelier Bodoni und eine Dia-Schau zur 1992 von Beat Brechbühl gegründeten Handpressen-Messe, die 2018 bereits zum 14. Mal im Eisenwerk in Frauenfeld stattfand, mit rund 50 Ausstellern aus verschiedenen Ländern Europas.
Eine Lese-Ecke wartet auf LeserInnen, eine Hörstation mit Geschichten aus Beat Brechbühls beliebten Schnüff-Kinderbüchern auf HörerInnen jeden Alters.
Eine grosse Auswahl der bekannten Bodoni Blätter mit Texten teils berühmter, teils noch zu entdeckender AutorInnen wird zu sehen, zu lesen und auch zu kaufen sein: «Besser ein guter Text an der Wand als ein schlechtes Bild im Schrank», sagt Beat Brechbühl.
Weil ich nicht…
Weil ich nicht öffentlich reden kann
und im Live-Interview nicht viel tauge,
bin ich Schriftsteller geworden.
Weil ich nicht singen kann,
bin ich Lyriker geworden.
Weil ich nicht zeichnen und malen kann,
bin ich Gestalter geworden.
Weil ich eine charakterlose Handschrift habe,
bin ich Typograf geworden.
Weil ich nicht lügen kann,
bin ich Dichter geworden.
Weil ich nicht die Geduld habe,
dürftige Gedichte von andern zu lesen,
habe ich Lieblings-Dichterinnen und -Dichter;
nach dem Umzug nur noch ca. 4 Laufmeter.
Weil ich nicht immer höllisch aufpasse
und deshalb oft das wuchernde Leben verpasse,
habe ich Lücken in meiner elften Biografie;
in diesen Lücken wohnen meine Poetischen Tiere
und das himmlische Flugvolk. Alle machen sie
Kinder; es sind die letzten.
Anders gelaufen –
Weil ich nicht Englisch kann, geriet
ich gleich aus dem Kindergarten nach Italien, dort flog mir
ein Buchverlag entgegen, den ich später gründete,
und nun laufen mir seit 30 Jahren die Bücher anderer so hartnäckig
nach und davon, dass ich meine eigenen Bücher schreiben möchte und
ich möchte laufen auf meinen Füßen, und mit
dem Körper und Hirn. Trotzdem war ich noch nie
in Paris.
30.6.2012
© Beat Brechbühl, Frauenfeld
Zu hoffen ist, dass auch der Kanton Thurgau jenen Mann zu würdigen weiss, der ein Leben lang viel weiter sah als bis zum eigenen Tellerrand, der die Literatur zu einer ganz eigenen Mission machte und Frauenfeld für viele Autoren zu einem Angelpunkt ihres Lebens.
Beitragsfoto © Martin Stiefhofer