David Wagner «Ein Zimmer im Hotel», Rowohlt

Jan Wagner wurde 2013 einem breiten Publikum mit seinem Buch «Leben» bekannt, mit dem er seine Krankheit und die daraus resultierende Lebertransplantation verarbeitete, ein Buch aus 277 literarischen Miniaturen, mit dem er den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 gewann.

img_0099Nun erschien «Ein Zimmer im Hotel». Wieder kein Roman, eher ein Antireiseführer des Autors, der auf Lesereise mit seinem Buch «Leben» in Hotels von Peking bis Spanien übernachtete. Ein Buch, das Zimmer auf der halben Welt zeichnet, eine kleine Kulturgeschichte der Unwirtlichkeiten.

Bei der BuchBasel lud der Autor zu einer ganz besonderen Lesung ein, hinauf ins oberste Stockwerk des Hotel Krafft ins Zimmer 405, hoch über dem Rhein. Eine Lesung zum «Anfassen» mit besetzten Stühlen überall und Zuhörern, die es sich sogar auf dem Doppelbett bequem machten.

«Ein Zimmer im Hotel» ist ein Konzept-Buch ohne künstlich zu wirken. So wie die einen auf Facebook oder Instagram jeden Mist posten, hinterlässt David Wagner eine Spur gehen das Vergessen. Von einem wachsenden Sammeltrieb getrieben, beeieinflusst vom Georges Perec, der einmal vorhatte, alle Orte, an denen er geschlafen hatte zu beschreiben.

img_0101In Hotels liegen Stifte, manchmal Bleistifte. Bleistifte meist dann, wenn das Zimmer einen Holzboden besitzt. Und meist sind Bleistifthotels die besseren Hotels. Kugelschreiberhotels haben Teppichböden, die Geschichten erzählen wollen, Geschichten allerdings, die man vielleicht lieber nicht hören will. Kugelschreiber lässt David Wagner liegen, weil er sie nicht mag. Bleistifte lässt er mitgehen.

Es gibt Apfelhotels, jene, in denen Äpfel an der Rezeption zum Mitnehmen liegen. Äpfel, zu denen David Wagner seit seinem Roman «Vier Äpfel» eine ganz besondere Verbindung spürt, eine Schwäche. Nach einem Roman, der 2009 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand, über einen Mann, der sich im Supermarkt verliert, über die Tiefen der Einkaufswelt, fasziniert von der Poesie von Einkaufszetteln.

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David Wagner sammelt Räume, hebt sie auf, fasziniert von Duschvorhängen aus Schweizer Fabrikat, die waschbar sind und jeden Monat gebügelt werden sollten. Belästigt von Bildern in Hotelzimmern, die einem nicht in Ruhe lassen, erst recht, wenn sie schlecht sind, erst recht, wenn sich in diesen Bildern hinter einer Reproduktion von Klimts «Der Kuss» die Klimaanlage versteckt. Die grassierende Zierkissenpest. Kissen mit Bezügen, von denen man vermuten muss, dass sie kaum jemand wäscht. Von laminierten Hinweisen überall, Konsumangeboten, Hinweisen, die den letzten Rest erklären, von belegten Schreibtischen und dem fehlenden Ort für den Koffer.

Aber eigentlich, so David Wagner, war «Ein Zimmer im Hotel» nur die Fortsetzung von «Leben», von der Reise von Hotelzimmer zu Hotelzimmer nach einem Buch von einem im Spitalzimmer, der nur im Kopf auf Reisen gehen kann.

img_0100David Wagner, 1971 geboren, debütierte mit dem Roman «Meine nachtblaue Hose». Es folgten der Erzählungsband «Was alles fehlt», das Prosabuch «Spricht das Kind», die Essaysammlungen «Welche Farbe hat Berlin» und «Mauer Park», die Kindheitserinnerungen «Drüben und drüben» (mit Jochen Schmidt) sowie der Roman «Vier Äpfel».

Ich danke dem Hotel Krafft Basel für die zur Verfügung gestellten Bilder. Ein Hotel mit Äpfeln an der Rezeption, Holzböden, Bleistiften und erfrischender Schlichtheit in den Zimmern.

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