Seit 2016 vergibt auch unser Nachbarland Österreich einen jährlichen Buchpreis, in der Anlage und Ausrichtung ganz ähnlich dem Schweizer Buchpreis. Im ersten Jahr war es Friederike Mayröcker als erste Preisträgerin, 2017 Eva Manesse und im letzten Jahr Daniel Wisser.
Auffälligster Unterschied zwischen den Nachbarn ist die österreichische Unterteilung in zwei Kategorien. Wie in der Schweiz prämiert Österreich das beste deutschsprachige belletristische, essayistische, lyrische oder dramatische Werk einer österreichischen Autorin bzw. eines österreichischen Autors oder solcher, die seit drei Jahren in Österreich leben und wirken. Daneben zeichnet Österreich aber zusätzlich das beste Debüt einer österreichischen Autorin bzw. eines österreichischen Autors aus. Eine Besonderheit, die verhindert, dass literarische Schwergewichte neben DebütantInnen nicht unnötig in Konkurrenz stehen, denn hinter den gestandenen Namen steht immer auch ein ganzes Werk, ein literarisches Oeuvre.
So stellte ich dem Geschäftsführer der Buch Wien Gustav Soucek einige Fragen:
In der Schweiz entfacht sich jedes Jahr erneut Polemik darüber, wie der Buchpreis juriert wird, wer ihn gewinnt und wie man mit jenen umgeht, die ihn nicht gewinnen und seit Jahrzehnten zum innersten Kreis jener gehören, die die CH-Literatur ausmachen. Wie kommentiert man in Österreich Auswahl und Verleihung des Buchpreises?
Der Österreichische Buchpreis ist erst seit vier Jahren Bestandteil der Literaturszene, aber es war höchste Zeit diesen eigenständigen und hochdotierten Preis ins Leben zu rufen. Daher sind die Rückmeldungen in der Branche selbst, bei den Medien und auch bei den Lesern sehr positiv. Dadurch, dass alle Juryteilnehmer in Österreich jährlich wechseln, gibt es kein zu erwartendes Ergebnis und (konstruktive) Kritik an Literatur und Preisträgern ist absolut positiv, da es „das Buch“ im Gespräch hält und die Buchwirtschaft ja für offenen Diskurs eintritt und steht.
So wie der Schweizer Buchpreis mit der BuchBasel verknüpft ist, ist es beim Österreichischen Buchpreis die BuchWien, ein ungleich grösserer Anlass als das Basler Pendant, verzeichnete die BuchWien doch 2017 50000 Besucher, während die BuchBasel im vergangenen Jahr die Zehntausendmarke nicht knacken konnte. Grosser Unterschied ist dabei, dass die BuchWien eine Messe ist; 451 Veranstaltungen mit 381 Autorinnen und Autoren sowie 350 Aussteller aus 20 Nationen auf 8.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Wo liegt das Österreichische Erfolgsrezept? Liegt es nur an der Tatsache, dass der Schweiz eine Buchmesse mit Ausstrahlung fehlt?
Vielleicht ist es ein Mix aus Tradition und Moderne, denn der Vorläufer der BUCH WIEN, die Buchwoche, blickt auf 60 Jahre Vergangenheit zurück, ehe sie von der BUCH WIEN in der heutigen Form am Standort Messe Wien vor 11 Jahren abgelöst wurde. Erklärungen zu einer Buchmesse in der Schweiz habe ich aber nicht und ich würde es auch tunlichst vermeiden meinen Kollegen in der Schweiz und vom SBVV gute Zurufe aus der Ferne zu geben.
Im ersten Jahr hiess die Preisträgerin Frederike Mayröcker, eine der ganz grossen Dichterinnen des 20. und 21. Jahrhunderts, eine Ikone. Wie weit wird ein solcher Preis zur Würdigung eines ganzen Werkes, auch wenn die Ausgezeichnet für ihr Buch „fleur“ geehrt wurde, einen Text, der „zu einem Fenster zu Welten wird, die sich der realistischen Darstellung entziehen, den Möglichkeitssinn von Literatur auf eine ganz besondere Weise erfahrbar macht“?
Ich habe natürlich keinen Einblick in die Jurysitzungen und ich nehme in keiner Form daran teil. Die Diskussionen, die dort stattfinden kenne ich nicht. Wenn ich mir aber zum Beispiel den österreichischen Buchpreisträger des letzten Jahres, Daniel Wisser, ansehe, der 1971 geboren wurde, gehe ich nicht von einer Lebenswerk-Auszeichnung aus. Im Gegenteil, ich wünsche mir noch viele Bücher wie „Königin der Berge“ von ihm. Für Würdigungen eines ganzen Schaffens gibt es in Österreich den seit 1990 bestehenden „Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln“. Ich denke, dass alle JuryteilnehmerInnen das wissen und deshalb auch zwischen Lebens- und Einzelwerk unterscheiden.
Ein grosser Unterschied der beiden Wettbewerbe ist ihre Unterteilung zwischen eigentlichem Buchpreis und einem Preis für das beste Debüt. Eine Unterteilung, die meiner Meinung nach ausgesprochen viel Sinn macht, um literarische Schwergewichte nicht mit „Neulingen“ mischen zu müssen. Eine Reaktion aus Erfahrungen im Ausland oder nur einfach eine gute Idee?
Eine gute Idee aus Österreich! Auch wenn sie irgendwo auf der Welt vielleicht schon existierte und existiert. Und es hilft uns natürlich den sehr jungen Österreichischen Buchpreis vom Schwergewicht Deutscher Buchpreis zu unterscheiden.
In der Longlist des Österreichischen Buchpreises (noch ein Unterschied, denn eine solche gibt es in der Schweiz nicht) finden sich neben unbekannteren Namen nicht wenige Eckpfeiler deutschsprachiger Literatur: Marlene Streeruwitz, Clemens J. Setz, Karl-Markus Gauß und Norbert Gstrein. Nicht zu vergessen, der noch immer im „Ausland“ als Geheimtipp geltende Südkärntner Florjan Lipuš, Träger des Grossen Österreichischen Staatspreises 2018. Das Reservoir an grossen Namen und Büchern scheint in Österreich unerschöpflich.
Wenn dieser Eindruck besteht, freut uns das natürlich sehr. Wir sehen das als eine Art von Bestätigung beispielsweise auch mit großer Freude beim Deutschen Buchpreis, den im Jahr 2018 der Österreicher Robert Menasse mit „Die Hauptstadt“ gewonnen hat und wo auch heuer wieder sechs österreichische AutorInnen – Raphaela Edelbauer, Andrea Grill, Angela Lehner, Tonio Schachinger, Eva Schmidt und Marlene Streeruwitz – unter den Longlist-Nominierungen sind. Und erfreulicherweise mit Zsolnay, Kremayr & Scheriau und Jung und Jung auch drei österreichische Verlage auf dieser Longlist stehen. Ich wünsche uns, dass es weiterhin so unerschöpflich bleibt.
Nimmt man in Österreich den Schweizer Buchpreis wahr? Ganz ehrlich!
Immer ehrlich! Die Fachwelt natürlich schon, weil wir ja auch darüber berichten und weil es in Österreich ein hohes Interesse an Literatur und Schriftstellern gibt. Inwiefern sich dieses Fachwissen über die Medien und den Buchhandel bis zum Buchkäufer und Leser durchspricht ist dann natürlich auch eine Frage des Verlagsmarketings und der Marktmaßnahmen. Ich würde sehr gerne mehr Promotion für den Schweizer Buchpreis in Österreich machen und freue mich jetzt schon auf die Lesungen daraus auf der BUCH WIEN 19.