Tim Krohn «Erich Wyss übt den freien Fall», Galiani

Tim Krohns Romanserie „Menschliche Regungen“ ist ein fantastisches Projekt und geht mit „Erich Wyss übt den freien Fall“ in seine zweite Runde. Eine Enzyklopädie der „Menschschlichen Regungen“; Courage, Perfektionismus, Eloquenz, Geiz, Familiensinn, Zorn, Begierde, Originalität… über 65 neue menschliche Regungen. Und weil Tim Krohn immer wieder in Kontakt tritt mit jenen Menschen, die eine dieser Regungen aussuchen und mit weiteren Begriffen einbetten, ist das, was in den beiden bisher erschienenen Bänden geschah, durchaus repräsentativ dafür, was die Welt an der Röntgenstrasse in Zürich ausmacht.

Sie kennen den altmodischen, aber noch immer reizvollen Adventskalender mit den kleinen Türchen, von denen man jeden Tag eines öffnen darf und mehr oder weniger überrascht wird, von dem, was sich dahinter verbirgt. Auch der zweite Band „Erich Wyss übt den freien Fall“ ist ein solcher Kalender, ein überdimensionaler, ein ganzes Haus, in dem sich nach und nach alle Türen öffnen, nicht nur die in die Wohnungen und Zimmer. Ein städtischer Kosmos, in dem sich das Leben auf vielfältigste Weise durchaus spektakulär manifestiert.

Sonst mag ich Serien nicht. Keine Brunettikrimis, keine Netflix-Serien, nicht einmal Gesamtausgaben. Sobald ich mich geknechtet fühle, krampft sich mein Misstrauen. Und wenn wie bei bei «Game of Thrones» um Film, Buch und Autor ein wahrer Hype ausbricht, stachelt das meinen Widerwillen noch an. So ganz anders bei Tim Krohns urbanem Quartierepos. Es fliesst kein Blut, kein Drache speit Feuer, es öffnen sich keine Abgründe, selbst die Intrigen bleiben in Bodennähe. Was in dem Zürcher Mietshaus passiert, erkenne ich wieder. Es riecht und fühlt sich an wie die Wirklichkeit. Ich mag das ganz normale Personal, selbst jenes, mit dem ich in der Wirklichkeit lieber nichts zu tun haben möchte. Tim Krohn erzeugt Nähe, weil sich die Menschen, die er leben, lieben und sterben lässt, mit dem herumschlagen, was Realität ist. Die Schauspielerin Selina kämpft um ihr Filmprojekt, Julia als alleinerziehende Mutter in ihrem schlecht bezahlten Beruf als Lektorin um ihre Existenz, Pit und Petzi als Studenten und junges Paar, Moritz der Lebenskünstler und Hubert Brechbühl, die Leitfigur aus dem ersten Band als schüchterner Liebhaber um ihre Lieben, Familie Costas ums tägliche Brot (das allzu oft als Fisch auf dem kleinen Balkon brutzelt) und Erich Wyss mit seiner Frau Gerda gegen die Tücken von Alter und Familie.

Tim Krohns Personal wächst mir derart ans Herz, dass ich mir mit Sicherheit auch Band 3 nicht entgehen lassen werde. So gesehen ist das Rezept kein anderes als bei jeder anderen Serie. Ich will nichts versäumen, selbst den Schmerz darüber nicht, dass Personen ziemlich plötzlich verschwinden. So wie Paul Lutz, der als neuer Hauswart seine Stelle antritt und sich zuallererst in seine Dienstwohnung durchkämpfen muss, weil die vom Verwandtschaftsbesuch der Familie Costas annektiert wurde. Ich mochte diesen Paul, der sich mit der umtriebigen Familie anzufreunden versuchte, letztlich aber scheiterte an seinem strategischen Bemühen, im Mietshaus für Ordnung zu sorgen.

Ich leide mit! In Band 2 mit Erich Wyss, einem schon lange pensionierten Tramfahrer. Einem, der ein Leben lang nicht nur seiner Frau Gerda treu war, sondern auch seiner Redlichkeit, dem Vorsatz, ein guter Mensch zu nsein. Ausgerechnet ihm schlägt das Schicksal nicht nur in die Knie, sondern mitten ins Herz. Nach der Geburtstagsfeier seiner Frau Gerda, bei der fast das ganze Haus mitfeierte und Gerda noch einmal richtig ausgelassen tanzte, entreisst der Tod ihm seine Frau. Und als wäre das nicht genug, versuchen ein ungeratener Sohn und ein durchtriebener Enkel aus Erich Wyss einen Strohmann für dunkle Geschäfte zu formen. Aber nicht so mit Erich Wyss. Dieser schlägt zurück, nachdem er auch schon im ersten Band einiges einzustecken hatte. Erst recht, als er sich nach dem Tod seiner Frau nur noch um sich zu sorgen braucht und sein Fundament Familie zu bröckeln beginnt. So wie die einen im Haus an der Röntgenstrasse um ihre Familie kämpfen, streitet Erich gegen sie. So heftig Erich seinen Sohn Sepp vor die Türe setzen muss, so sehr wird Pit von seinem Vater vor die Türe gesetzt und ausgegrenzt. Wahrscheinlich auch dies ein Qualitätsmerkmal des Kohn’schen Kosmos. So wie „Game of Thrones“ jene Welt nicht in Gut und Böse aufteilt, zeigt Tim Krohn in seiner Romanserie keine krassen Gegensätze, aber Menschen in sehr verschiedenen, durchaus gegensätzlichen Lebenssituationen. Pit, der Philosophiestudent, der im ersten Band ziemlich ausufernd die Grenzen der körperlichen Liebe auslotete und versuchte, ist in Band 2 ein Gestrandeter, ein Verzweifelter. Ernüchtert bricht er sein Studium ab und sieht sich nicht nur wegen dieses Entschlusses mit einem übermächtigen Vater konfrontiert, der ihm seine Familie verweigert.
In „Erich Wyss übt den freien Fall“ leide ich an nichts so sehr mit wie an „Familie“! So viel Sehnsucht und magische Liebe darin steckt, so viel Schmerz, Demütigung und Bedrohung kann aus ihr erwachsen.

Was ich am Unternehmen „Menschliche Regungen“ bewundere, ist die pure Lust des Autors an Ent- und Einwicklung, die Souveränität, mit der Tim Krohn erzählt und mir immer noch eine Tür öffnet, ohne sich zu verzetteln. Auch wenn mir die Lebensentwürfe der Protagonisten im Roman nicht alle gleich nah kommen, bleiben sie realistisch.

„Erich Wyss übt den freien Fall“ ist auch ein Buch über den Weltenbruch im Jahr 2001, über 9/11 und seine Folgen. Und das Bild, das im Buchtitel durchscheint, „The Falling Man“, stimmt letztlich treffend für Erich Wyss. Sein Turm brennt. Ein Turm, der durch ein Verbrechen in Brand gerät. Ein Turm, der einzustürzen droht. Aber Erich Wyss wird nicht aufschlagen, nicht zerstört liegen bleiben.

Ich liebe viele Bilder im Roman von Tim Krohn; wenn Herr Brechbühl mit der Tuba auf dem Rücken in den Glarner Alpen Höhepunkte sucht, wenn Costas aus der Not Pornofilme mit Literatur synchronisieren, wenn im Stadttheater Solothurn telefonierende Zuschauer während der Vorstellung von Schauspielern geohrfeigt werden.
Tim Krohn bleibt nicht an der Oberfläche. So gross die Liebe zu seinem Personal ist, so tief lässt er blicken. Zum Beispiel dann, wenn Max Frischs Fragebogen zur Hoffnung beantwortet wird. Und zwar nicht einfach so. Da helfen zwei Flaschen Château Lafite und der Umstand, dass die Fragen am Telefon beantwortet werden, ohne Möglichkeit, das Gesicht zu verlieren.

Und noch ein Versprechen von mir: Geniessen Sie Band 2 „Erich Wyss übt den freien Fall“. Jedes Buch für sich ist ein Leseabenteuer der besonderen Art. Lassen Sie sich verführen, anstecken und mitreissen!

Tim Krohn ist 1965 in Nordrhein-Westfalen geboren, wuchs ab seinem zweiten Lebensjahr in der Schweiz im Glarnerland auf und wohnte danach gut zwanzig Jahre lang in Zürich, in einer sehr liebenswerten Genossenschaft. Inzwischen lebt er mit Frau und Kindern in Santa Maria Val Müstair. Er ist freier Schriftsteller. Er schrieb zuletzt die Romane „Quatemberkinder“ (1998), „Irinas Buch der leichtfertigen Liebe“ (2000), „Vrenelis Gärtli“ (2007) und „Ans Meer“ (2009), die Erzählbände „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“ (2014) und „Nachts in Vals“ (2015) sowie zahlreiche Theaterstücke, so auch die Vorlage zum „Einsiedler Welttheater 2013“. Er gewann unter anderem das Berliner Open Mike, den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis, den Preis der Schweizerischen Schillerstiftung und den Kulturpreis des Kantons Glarus.

menschliche-regungen.ch

Titelfoto: Sandra Kottonau

Tim Krohn «777 menschliche Regungen», Galiani

Aalglätte, Abartigkeit, Abenteuerlust, Abschiedsschmerz, Ambivalenz, Androgynie, Anmut, Asexualität, Barmherzigkeit, Begeisterung, Beharrlichkeit, Blockade, Charisma, Demut, Desinteresse, Direktheit, Dumpfheit, Durcheinandersein, Durst, Eros, Gerechtigkeitsliebe, ….. , Zauber,  Zynismus. 777 menschliche Regungen (Aktuell sind es bald tausend!) sollen eine Romanserie mit noch offenem Ende mit Blut versorgen.

Via «crowdfunding» sammelte Tim Krohn Wörter, menschliche Regungen und mit jedem Begriff Geld. Geld, mit dem seiner betagten und armengenössigen Mutter ein Bad gebaut werden wird. «crowdfunding» ist eine Finanzierungsart, in der übers Internet Begeisterte gesucht werden, die mit grossen und kleinen Beiträgen «Unternehmen» finanzieren, die auf konventionellen Wegen kaum zu Geld kommen würden. Nicht unumstritten, selbst in der eigenen Schriftstellerkaste. «Spielen» die Leute bis zuletzt mit, sollen es 7500 Seiten werden. Die ersten 470 Seiten unter dem schönen Titel «Herr Brechbühl sucht eine Katze» erscheint anfang März, «Erich Wyss übt den freien Fall» im Herbst und «Julia Sommer sät aus» im kommenden Frühjahr.

Auch ich beteiligte mich mit einer «menschlichen Regung» an diesem ungewöhnlichen Projekt. Eine literarische Serie. Tim Krohns Hoffnung, dass man nach der Lektüre seines ersten Bandes alle weiteren Bücher seiner Reihe kauft und liest, musste ihn mit Sicherheit dazu führen, all sein Können in den ersten Band zu legen, um, wie bei Serien üblich, die Lust auf mehr ordentlich zu schüren.

Meine Regung heisst «Nörgelei» und trägt die Nummer 149. Rein mathematisch sollte «mein Kapitel» also im Band 2 oder 3 erscheinen. Jeder, der ein solches Kapitel «kaufte», ist schon einmal ein sicherer Käufer der Serie. Jeder Besitzer eines Kapitels ist auch ein sicherer Werbeträger dieses Projekts, vor allem dann, wenn der erste Teil im März von all den RezensentInnen, Bloggern, Literaturverständigen in den Medien wohlwollend besprochen wird.

In vielen anderen Kunstformen, Ausdrucksformen der Kunst ist die Frage nach der Strategie, wie man sein «Produkt» an den «Konsumenten» bringt, fixer Bestandteil der Aktion selbst. Kein Filmschaffender macht still und heimlich in seinen vier Wänden einen Film und hofft, dass dieser dann irgendwie und irgendwann vor Publikum zu flimmern beginnt. Bei Aktionskunst stellt sich eine solche Frage gar nie. Aber warum in der Literatur?

Mit seinem Schreibprojekt schafft es Tim Krohn, eine ganze Bücherreihe zu «personifizieren». Er macht Leserinnen und Leser nicht nur mit seiner Story zu seinen Verbündeten, sondern mit den personifizierten Kapiteln, die im Anhang sogar den jeweiligen Spenderinnen und Spendern zugeordnet sind, sichtbar, zeigbar, erinnerbar.

Ich freue mich auf das Leseabenteuer und bin mehr als gespannt auf die Reaktionen und Diskussionen, die kommen werden.

Ganz am Schluss seines ersten Bandes von mindestens 10 schreibt der Verlag unter «Nachbemerkungen»: Die Romanserie «Menschliche Regungen» ist Work in Progress. Tim Krohns Plan ist, im Rahmen des überschaubaren Kosmos einer Genossenschaftssiedlung im Zürcher Kreis 5 jede erdenkliche Gefühlsregung und jeden erdenklichen Charakterzug eines heutigen Menschen zu beschreiben. Das Neueste zu  Stand des Projekts steht jeweils auf www.menschliche-regungen.ch!

Buchtaufe ist am 27. Februar im Kaufleuten in Zürich.

Tim Krohn, Jahrgang 1965, lebt als freier Schriftsteller in Santa Maria Val Müstair. Sein Roman «Vrenelis Gärtli» stand wochenlang auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerlisten. Er war Vorsitzender des Schweizer Schriftstellerverbandes und wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien bedacht. Zuletzt veröffentlichte Tim Krohn bei Galiani den hochgelobten Erzählband «Aus dem Leben einer Matratze bester Machart» (2014), der auch ins Italienische übersetzt ist, und «Nachts in Vals» (2015).

Tim Krohn ist auch Gast an den Weinfelder Buchtagen, liest am 12. März um 11 Uhr im Rathaussaal in Weinfelden. Webseite der Buchwoche

Webseite des Autors

Tim Krohn «Herr Brechbühl sucht eine Katze», Galiani

Als mich die Presseabteilung des Galiani Verlags via Mail fragte, ob ich Tim Krohns «Herr Brechbühl» weiterlesen konnte, schrieb ich zurück: «Ich bin an den letzten Seiten – und voller Regungen. Doch genau das, was passieren soll. Ich wanke zwischen heller Begeisterung, grossem Erstaunen, tiefer Bewunderung und leisem Entsetzen.

Begeisterung

Ich mag Menschen mit verrückten Ideen, solche, die mit Begeisterung andere begeistern. Ich mag von einer Idee besselte Menschen, erst recht dann, wenn es keine Verlierer zu geben scheint. Die Idee, eine Romanserie zu schreiben, über 777 menschliche Regungen über mindestens 3000 Seiten, auf 10 Bände angelegt, muss schon sehr begeistern, sowohl für den Autor wie als Lesende, um am Text zu bleiben. Das ist kein Experiment, sondern eine Expedition mit ungewissem Ausgang. Das schafft Tim Krohn nur, wenn die Personen, deren Leben er im ersten Band zu stricken beginnt, mich als Leser berühren, wenn sie mich etwas angehen, wenn ich ihnen nahe komme, wenn ich das Gefühl habe, dass die Welt dort meine Welt ist, in der ich lebe, auch wenn sie mir nicht immer gefällt. Wer im Vorsatz des Buches alle 777 menschlichen Regungen liest und sich vor Augen führt, dass sie alle dem Autor zugetragen wurden und dieser sie zu Überschriften seiner Kapitel machte, darf sich über die Richtung der Geschichte nicht wundern. Diese 777 menschlichen Regungen sind die Welt, oder zumindest ein aufschlussreicher Teil dessen. Ich schrieb Tim Krohn, nachdem ich sein Buch gelesen hatte: «Ein gutes Buch. Ein guter Anfang. Wäre es ein Menü, wärs doch erst der Apéro, ein Versprechen, um die Neugier zu entfachen. Wer schaut im TV Teil 2, wenn Teil 1 kein Versprechen gibt. Und wer liest noch 2500 Seiten, wenn er nicht gepackt ist? Bei Donna Leon ist es Blut, das nach jedem Buch versickert.» «Das sind schöne Zeilen, tausend Dank! Ich bin auch ganz hin und her gerissen von gefühlen wie Dankbarkeit – all den Menschen gegenüber, die, wie du, so und kompliziert und herzlich auf mein Spiel eingegangen sind -, Aufregung, denn die ersten Reaktionen auf das Buch sind so herzlich wie oder noch herzlicher als die auf die einzelnen Geschichten -, und zudem etwas bange, denn wenn auch die ersten 200 geschrieben sind, so liegt – sofern bis zuletzt Menschen mitspielen – noch ein langer Weg vor mir und meiner Familie.»  Hier entsteht mehr als ein Buch, mehr als eine Buchserie. Hier entsteht Begegnung. Was nicht heissen soll, dass in dieser Form des Entstehens das Heil läge. Es ist die Einmaligkeit. Tim Krohn begeistert mich mit und schafft es mit meiner Regung Nr. 149′ dass das Buch, die Serie auch ein bisschen mein Buch, meine Serie ist.

Erstaunen

Wer liest heute noch Bücher mit mehr als 1000 Seiten? Meist nur Fantasy-Freaks und Unerschrockene. Langeweile wird missverstanden. Die Buchserie «Menschliche Regungen» braucht lange Weile. Keine Clips, kein Shot, kein Klick.
Die Italienerin Elena Ferrante siedelt ihren Vierteiler «Meine geniale Freundin» in Neapel an: Mord, Suizid, Gewalt, Schulden, Betrug, drastisch, dramatisch, unglaublich. Tim Krohns Haus steht im Kreis 5 in Zürich. Die Ingredienzien seiner Geschichte sind nicht ungleich, nur die Dosis um einiges geringer, dafür viel näher und weniger unglaublich. Das Einzige, was nach «grosser Kelle» riecht, ist die Absicht, die Geschichte 10 Bände lang werden zu lassen. Und das grosse Erstaunen ist jenes, wenn ich am Ende des ersten Bandes doch das Gefühl habe, ein Buch zu Ende gelesen zu haben. Ich werde nicht stehen gelassen, weil ich 460 Seiten lang bestens unterhalten wurde.

Bewunderung

Ich bewundere den Mut, auch wenn die Finanzierung auf viele Schultern verteilt wurde und man viel versprochen bekommt. Kommissar-Brunetti-Fans, die den 30. Fall eines Kommissars in Venedig lesen, könnten auch ein paar Folgen auslassen oder auch nur ein paar aus der langen Reihe lesen. Aber wer würde mit «Menschliche Regungen Band 5» beginnen, wenn bereits 1500 Seiten «vergangen» sind?
Das braucht auch Mut für einen Verlag wie Galiani in einer Zeit, in der Zahlen drücken und kaum mehr jemand Geld verdient mit Literatur. «Tim Krohn bringt alle Geschichten in einen grossen Zusammenhang und liefert mit den daraus entstehenden Serien-Romanen eine grosse Chronik der Gefühle unseres Zeitalters.»
Bewunderung für die Sprache. Tim Krohns Sprache überzeugt mit Klang, Sound. Das Buch ist voller Poesie, auch wenn einzelne Settings wenig Romantik ausstrahlen. Tim Krohns Sprache ist farbig, nicht bunt, nicht grell. Tim Krohn schreibt in die Tiefe des Menschen, lässt gleichzeitig vieles offen, was auch nötig ist, wenn ich für 3000 Seiten «gebucht» sein soll.

Entsetzen

Während des Lesens befremdete mich die Häufigkeit von Sexszenen. Es wird ganz ordentlich gerammelt, ein Umstand, den ich einem normalen Genossenschaftshaus im Kreis 5 selbst in Zürich in der Intensität nicht zusprach. Wer aber während des Lesens noch einmal einen Blick auf die 777 menschlichen Regungen im Vorsatz des Buches wirft und sich die Mühe machen würde, alle eingesandten Begriffe, die auf den ersten Blick etwas mit Sexualität zu tun haben könnten, zu markieren, wundert sich nicht. Auch das ein Spiegel der Zeit, den Tim Krohn mit seinem Buch nicht korrigieren muss.

Er lohnt sich, das Abenteuer einzugehen. Lesen Sie!