Wahrscheinlich wurde noch nie so viel gelesen wie heute. Züge sind voll mit Zeitungen, Menschen unentwegt in digitale Lektüre vertieft und wer eine der Grossbuchhandlungen besucht, mag denken: „Wer soll das alles lesen?“ So unbeirrt Kleinverlage mutig veröffentlichen, so gross das Angebot von Veranstaltungen rund um das Buch, so sehr Schriftstellerei noch immer ein Traumberuf in den Köpfen von Kindern, so unaufhaltsam das Verschwinden des Buches.
Noch gibt es sie, die Dinosaurier des Geschriebenen. Auch wenn Peter Bichsel kaum mehr von Hand schreibt, ist sein Medium das Buch, das gedruckte Buch, das Buch, das Geschichten auf Papier gedruckt erzählt. Ein Mann, der die Langweile liebt, sich einen Pessimisten heisst, weil alles Unheil von Optimisten herrühre. Ein Mann, den man gern den Beobachter nennt, der aber einer sein will, der schaut, der sich mit dem Gegenüber einlässt, der sich nicht drängen lässt, schon gar nicht von einer fremden Absicht.
Der Dichter, der Schöpfer von Büchern mit wunderschönen Titeln wie „Ein Tisch ist ein Tisch“, „Das süsse Gift der Buchstaben“ oder „Über das Wetter reden“ las aus Anlass des diesjährigen Welttag des Buches in der Buchhandlung Gutenberg im St. Gallischen Gossau.
Und als hätte er darauf gewartet, liest Peter Bichsel seine Kolumne „Der Beste und der Schlechteste“ aus seinem Buch „Doktor Schleyers isabellenfarbige Winterschule“. Ob wir den Unsinn im Radio gehört hätten und er beginnt zu lesen : Die Frage, welches mein Lieblingsbuch sei, finde ich beleidigend. Ich bin ein Leser. Ich lese gern. Ich lese viel. Mein Lieblingsbuch ist jenes, das ich jetzt lese. Mein Lieblingswein ist der, den ich jetzt trinke. Ja, es gibt besseren als den, den ich jetzt trinke. Aber warum soll jetzt ausgerechnet jener Wein, den ich jetzt nicht habe, mein Lieblingswein sein.“
Peter Bichsel raucht seine Zigarette unter dem kleinen Vordach der Buchhandlung bis zum Filter. Dann drückt er sie in einem kleinen portablen Aschenbecher aus und steckt diesen zurück in seine schwarze, lederne Weste, die er stets zu tragen scheint. Ich frage ihn, woher er seine eigenwillige Signatur habe. „Zum ersten Mal zeichnete ich sie bei einer Lesung in St. Gallen, vor vielen, vielen Jahren, als die „Kindergeschichten“ als Taschenbuch erschienen. Damals wollten dermassen viele von mir eine Widmung und ich als Legastheniker hatte meine Mühe bei all den THs und CKs. Seither ist es eine Blume und dazu mein Name. Als ich in Zürich einmal fragte, welches die beste Buchhandlung sei, antwortete man mir; die Fehr’sche in St. Gallen, jene legendäre, in der alles las, was Rang und Namen hatte.“
Peter Bichsel ist ein Ereignis, seine Lesungen sind es genauso, seine Bücher sowieso. Der Gutenberg Buchhandlung in Gossau herzlichen Dank für das kostbare Geschenk am Welttag des Buches 2018!