Christof Gasser «Blutlauenen», Urs Heinz Aerni stellt dem Autor Fragen dazu.

„Klischees und Stereotypen sind zu vermeiden.“
Mit „Blutlauenen“ legt Christof Gasser einen neuen Fall mit der ermittelnden Journalistin Cora Johannis vor. Urs Heinz Aerni stellte dem Autor Fragen dazu.

Urs Heinz Aerni: Nun erschien aus Ihrer Feder ein weiterer Fall der ermittelnden Journalistin Cora Johannis. Wieso wählten Sie diesen Beruf für Ihre Hauptfigur?

Christof Gasser: Ich wollte eine Ermittlerin mit einem Solothurner Hintergrund, die aber örtlich nicht gebunden ist wie ein Polizeiteam. Ich hatte die Wahl zwischen Privatdetektiv, (Krimi-)Schriftstellerin oder Wissenschaftlerin…

Aerni: Nun ist es eine Journalistin…

Gasser: Journalisten setzen sich mit unterschiedlichen Themen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auseinander. Ich habe mich dafür entschieden, weil diese Berufsgattung für mich das breiteste Spektrum bietet.

Aerni: Auf welche Herausforderungen stößt ein männlicher Autor, wenn er aus einer weiblichen Perspektive erzählt?

Gasser: Ob ein Mann aus der Perspektive einer Frau schreibt oder umgekehrt, die Herausforderungen sind dieselben: Als Autor muss ich mich in die Person hineinversetzen können, aus deren Warte ich schreibe. Wenn es bedrohlich wird oder wenn Aktion vonnöten ist, was im Krimi öfters vorkommt, ist es nicht eine Frage des Geschlechts, sondern des Charakters, wie man sich in einer bestimmten Situation verhält. Cora Johannis packt zu, wenn es sein muss. Das entspricht ihrer Persönlichkeit und geschieht unabhängig davon, dass sie eine Frau ist. Wenn sie sich um ihre Kinder Sorgen macht, oder wenn sie sich einem Mann zugetan fühlt, versuche ich zu beschreiben, wie sie sich als Mutter und liebende Frau verhält. Das erfordert Einfühlungsvermögen und Beobachtungen im täglichen Umgang mit beiden Geschlechtern. Die Herausforderung dabei ist es, Klischees und Stereotypen möglichst zu vermeiden.

Aerni: Auffallend sind nicht nur die Platzierungen Ihrer Romane, an ganz verschiedenen Orten der Schweiz, sondern auch Ihre Lust an Dialogen, die den Lese-Sog fördern. Wie sehen Sie als Autor das Verhältnis zwischen Beschreibungen von Szenen oder Menschen und dem Gespräch zwischen Ihren Protagonisten?

Gasser: Die Beschreibung setzt die Atmosphäre. Diese wird je nachdem vom Dialog unterstrichen oder aufgelockert. Dabei ist, wie so oft, die richtige Dosierung entscheidend. Verbale Schlagabtausche und Humor sind wertvoll. Jedoch macht ein Dialog mit seitenlangem Geplänkel oder nichtssagenden Phrasen die beschriebene Atmosphäre zunichte. Umgekehrt bergen exzessive Beschreibungen das Risiko, den Spannungsbogen zum Einbrechen zu bringen, wenn sie sich allzu weit vom Kontext entfernen.

Aerni: Sie beschäftigten sich früher mit dem Kreativen Schreiben, bevor schon die ersten Romane von Ihnen zu Bestsellern wurden. Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die das Schreiben für sich entdeckt haben?

Gasser: Hingehen und schauen, wie es diejenigen machen, deren Bücher man gerne liest. Die Gelegenheit benutzen, erfahrenen Autoren über die Schulter zu schauen, ihre Ratschläge zu akzeptieren und ihre Kritik einzustecken. Eine Methode lernen, wie man aus Ideen einen Plot zu entwickelt und einfach anfangen zu schreiben. Und schließlich: Dranbleiben, bis das Buch beim Händler im Regal steht.

Aerni: Hinten im Roman „Blutlauenen“ findet sich ein Glossar, das eidgenössische Begriffe für Lesende nicht aus dem Lande, erklärt. Wie nehmen Sie die Unterschiede zwischen den Krimis aus Ländern wie Österreich und Deutschland wahr? Oder gibt es Merkmale, die einen typischen Krimi je nach regionaler Herkunft ausmacht?

Gasser: Ein Verbrechen im Tirol unterscheidet sich nicht groß von der gleichen Tat an der Ostsee oder im Schwarzbubenland. Sprachliche Eigenheiten, lokale Gegebenheiten und Bräuche sowie die daraus entstehenden Protagonisten verleihen dem Krimi einen unverkennbaren Charakter.

Aerni: Welche Rolle beim Schreiben Ihrer Romane nimmt Ihre kritische Haltung gegenüber Politik und Gesellschaft ein?

Gasser: Es ist nicht mein Ziel, gesellschaftskritische Literatur zu schreiben. In erster Linie will ich spannende Geschichten erzählen, die in einem aktuellen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umfeld eingebettet sind, welches uns prägt. Wir Menschen sind duale Wesen mit hellen und dunklen Seiten. Das widerspiegelt sich in unserer Interaktion als Gesellschaft und in der Politik. Diesen Aspekt versuche ich im Kontext meiner Handlungen zu beleuchten.

Aerni: Ihre Bücher werden geliebt. Was versprechen Sie einer Leserin oder einem Leser, die oder der jetzt nicht gerade ein Krimifan ist aber es doch mit Ihrem Buch mal aufnehmen möchte?

Gasser: Ich kann nichts versprechen, aber etwas anbieten: Meine Protagonisten sind keine Superhelden. Es sind Menschen, die versuchen ihr Leben zu meistern. Die Leserin oder der Leser kann sich mit Ihnen identifizieren, auch wenn sie Situationen meistern müssen, mit denen sich keiner von uns im richtigen Leben konfrontiert sehen will. Die Leserin oder der Leser erhält zudem einen unterhaltsamen und spannenden Einblick in eine moderne, vielfältige und offene Schweiz, mit, vielleicht für Viele überraschenden, Schattenseiten, die aber auch reich an Kultur und Geschichte ist.

Christof Gasser, geboren 1960 in Zuchwil bei Solothurn, war lange in leitender Funktion in einem Industriekonzern tätig. Heute arbeitet er als freier Autor und nebenamtlich als Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seine Romane belegen regelmäßig Spitzenplätze auf der Schweizer Bestsellerliste. „Blutlauenen“ ist im Emons Verlag erschienen.