Mit dem Taxibus fahren wir bis ganz in den Süden Vietnams. Die Strasse auf der wir fahren, wird immer holpriger. Manchmal sind die Schlaglöcher so tief, dass ich befürchte, aussteigen zu müssen.
Auch die sichtbare Armut wird immer schlagender. Während in Ca Mau fast alles aus Ziegel gebaut wurde, manchmal mit zuckersüssen Fassaden, als hätte man sich einen Kindheitstraum erfüllen wollen, nehmen Blech und Bananenblätter als Baustoff zu. Und überall Wasser. Manchmal stehen einfache Wohnhäuser regelrecht im Wasser, ganz im Gegensatz zu jenen, die auf Stelzen gebaut sind und bei denen eine grosszügige Freitreppe in den Wohntrakt führt. Nicht auszudenken, was hier passiert, wenn die Regenzeit Kapriolen schlägt.
Irgendwann biegt der Bus in eine Strasse ein, in der Gegenverkehr unangenehm wird. Links und rechts von Mangrovendämmen begrenzte Wasserflächen, zwischendurch grössere Häuser, von solchen, die zu Reichtum gekommen sind, und Hütten, in denen man ausser einer Hängematte nicht viel sieht. Aber Tankstellen eine alleweil. Kein Wunder bei der Dichte an Verbrennungsmotoren.
Die Schwester unserer Gastgeberin ist hier im Süden Besitzerin einer Fisch-, Krabben- und Crevettenzucht und lud uns für zwei Tage zu sich ein. Kaum da, schaue ich zu, wie Jungfische aussortiert und für den Transport verpackt werden. Später lädt man mich ein, mit einem kleinen, schmalen Ruderboot die ausgelegten Krabbenfangkörbe mit Fischköder anzufahren. Kleine Sagexbojen markieren die Körbe. Die Ausbeute ist klein, das interpretiere ich aus den vietnamesischen Kommentaren meiner Begleitung. Kleine Tiere wirft er zurück ins Wasser, genauso die Weibchen. Allen grossen Männchen geht es wörtlich an den Kragen. Er bindet die Scheren, vor denen sich auch der Profi in Acht nimmt. Später sehe ich zu, wie er gefangene Krabben von gestern in die kochende Suppe wirft. Drei Sekunden dauert der Todeskampf. Eine Stunde später lange ich am Tisch trotzdem zu und knacke die orange-rot gewordenen Panzer. Wahrscheinlich war der Bootstripp auch mehr für mich als aus wirtschaftlichen Gründen.
Dann schlägt das Wetter mit einem Mal um, obwohl die Gastgeberin gerade eben mit dem Motorboot weggefahren wurde, zum Haus einer an MS verstorbenen Schwester. Sie betet dort für sie. Sintflutartig peitscht der Reden nieder und ein angenehm kühler Wind streift ums Haus. Wenn ich in Ca Mau den Eindruck hatte, eine kaputte Welt anzutreffen, ohne Chancen auf Besserung, so ist das Leben hier von einer ganz anderen Qualität, nicht zuletzt deshalb, weil man hier bereit ist, für sein Glück nicht bloss zu nehmen.
Hier wachsen Ananas am Stassenrand, Sternfrüchte gleich neben dem Eingang. Kein Karaokelärm, kein Gehupe, kein Dieselrauch, nur ab und zu das laute Knattern der Boote, deren Motoren wie überdimensionale Stabmixer das Wasser quirlen. Hier sitzen die Menschen zusammen, plaudern, reden und sticheln. Hier lacht man. In den Städten ist es, als ob das Smartphone alles ersetzt, selbst bei den Kindern das Spielzeug