Rina Jost «WEG», Edition Moderne

Wer wird nicht irgendwann im Leben mit Depression konfrontiert, sei sie individuell oder kollektiv, sei es im eigenen Leben oder bei Angehörigen, sei es als einmalige Krise oder immerwährende Auseinandersetzung. Rina Jost erzählt in ihrer Graphic Novel von den Tiefen der Depression, beeindruckend und mit grossem Einfühlungsvermögen.

Der Titel „WEG“ lässt sich vielfach deuten. Depression kann als Weg in die Tiefe verstanden werden, in ein unbekanntes Land, in Abgründe, auch wenn sich in Zeiten der Not kein Rückweg abzeichnet. Ein Weg, der alleine gegangen werden muss, der auszuhalten ist, auch wenn er an der Substanz reisst und glauben macht, man sei allein, in sich eingeschlossen. „WEG“ kann auch als Zustand gesehen werden, wenn man sich von sich selbst entfernt sieht, wenn man in sich eingeschlossen ist, bis zur Unerreichbarkeit, absorbiert.

Über eine solche Reise, einen solchen Zustand ein Buch zu schreiben, zu zeichnen, ist ein Wagnis. Erst recht dann, wenn man über eine Geschichte schreibt, in der viel Betroffenheit steckt, in der man spürt, dass ein Teil eines Selbst darin verarbeitet ist. Wie will man sonst nachempfinden, was Menschen in oder um eine Depression zu erleiden haben, wie viel auszuhalten ist, wie sehr man sich in den Tiefen einer Depression verlieren kann.

Rina Jost «WEG», Edition Moderne, 120 Seiten, farbig, CHF ca. 29.80, SBN 978-3-03731-253-7

Rina Jost erzählt von Geschwistern. Malin und Sybil. Sybil ist weg, zu einem Stein geworden, in eine Welt abgetaucht, die für all jene, die zurückbleiben, unerreichbar zu sein scheint. Mag sein, dass Sybil nur im Bett in ihrem Zimmer liegt. Aber was da liegt, ist nur ihre Hülle. Sybil ist weg. Weil Malin ihre Schwester liebt, macht sie sich auf den Weg, versucht zu ergründen, wo sich ihre Schwester hin verloren hat. Eine Reise nach innen, eine Reise in die Tiefen der Psyche. Hinein in Bilder, die sich wie Traumbilder, psychodelische Projektionen lesen. Malin begegnet Figuren, die wie Wächterinnen an den Übergängen von der einen zur anderen Welt stehen. Rina Josts Graphic Novel ist voller Anspielungen, doppelter Böden, Andeutungen und Zeichen. Keine Geschichte, die man einmal liest und dann hat es sich.

Im hinteren Teil des Buches wird dann klar, wie sehr es Rina Jost um Aufklärung und Handbietung geht. So allein wie sich die Hauptfiguren Malin und Sybil in ihrer Lebenssituation fühlen, so sehr will die Autorin und Zeichnerin all jenen eine Hand bieten, die sich in ähnlichen Situation allein gelassen fühlen, denen nicht einmal mehr die Kraft bleibt, sich aktiv um Hilfe zu bemühen. „WEG“ strotzt vor Kraft, umwerfender Bilder und der Fähigkeit, sich in diese Schattenwelt hineinzufühlen.

Rina Jost, 1987 geboren, Illustratorin und Comicautorin, arbeitet und lebt in Frauenfeld. Sie schloss an der Hochschule Luzern – Design & Kunst im Studiengang Illustration Fiction mit einem Bachelor ab. Heute arbeitet sie für Kultur- und Firmenkund*innen und verfolgt parallel dazu eigene Projekte.

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Beitragsbild © Balz Kubli