Jacob Strautmann «A conversation in poetry and paint», Plattform Gegenzauber

Seit 2021 stehen die in Frankfurt lebende Eva Strautmann und der in Boston lebende Jacob Strautmann in einem kontinuierlichen Dialog und schaffen Gemälde und Texte, die sich mit der Arbeit des jeweils anderen, der Natur und der Politik ihrer jeweiligen Länder auseinandersetzen.

Die hier präsentierten Gedichte sind Teil einer Sammlung von über 40 Gemälde-Gedicht-Kombinationen, und ihre Arbeit wird fortgesetzt. Mit der Übersetzerin Kassi Burnett kann ihr Gespräch nun auf zwei Kontinenten «mitgehört» werden:

Goldene Pferde 35, Eva Strautmann

Past Self 

       after Goldene Pferde 35
       by Eva Strautmann

In the country
I was a fish

In green water
Lazy shade

Of rock and trunk
Creek worship

Plash of hoofs
Tongue and muzzle

When a blue hand
Circleted plucked

By the tail lifted me
Out of the whispering

Reflection grass
In the moonlight

To a slab of sandstone
Surprised the air a blade

I am an address
In the city now

I cross bridges
And speak bluntly

A draftsman’s pen
Drew vowels

Struts to box
Them in truss pylon

Piers evenly spaced
Red and green lights

Where all is movement
Prophecy but small

Horses here
Wear collars

Stand in boredom
As traffic passes

 

Vergangenes Ich 

       nach Goldene Pferde 35
       von Eva Strautmann

Auf dem Land
War ich ein Fisch

Im grünen Wasser
Träger Schatten

Von Fels und Stamm
Bach-Anbetung

Plätschern der Hufe
Zunge und Nüstern

Als eine blaue Hand
Mich kreisend pflückte

Am Schweif mich hob
Aus dem Geflüster

Spiegelgras
Im Mondschein

An einer Platte aus Sandstein
Überraschte die Luft – eine Klinge

Ich bin eine Adresse
Nun in der Stadt

Ich überquere Brücken
Und spreche unverblümt

Der Stift eines Zeichners
Zog Vokale

Streben, sie einzuschließen
Im Fachwerkpylon

Pfeiler gleichmäßig verteilt
Rote und grüne Lichter

Wo alles Bewegung ist
Prophezeiung nur klein

Pferde hier
Tragen Halsbänder

Stehen gelangweilt
Während Verkehr vorbeifließt

 

Goldene Pferde 25, Eva Strautmann

Marriage Photo 

       after Goldene Pferde 25
       by Eva Strautmann

I can’t keep up with our garden any longer,
Let the deer have it. I want to sit on the porch

And listen to your jokes, watch the shadow
Of the leaves feather your feathery hair.

In the backyard the horses stamp the ground,
Hungry, demanding one of us gets up first.

Neither of us will go.

 

Hochzeitsfoto

       nach Goldene Pferde 25
       von Eva Strautmann

Ich komme mit unserem Garten nicht mehr nach,
Sollen ihn doch die Rehe haben.
Ich will auf der Veranda sitzen

Und deinen Witzen lauschen, beobachten,
Wie der Schatten der Blätter
Dein Haar federnd befiedert.

Im Hinterhof scharren die Pferde den Boden,
Hungrig, fordernd, dass einer
Von uns zuerst aufsteht.

Keiner von uns wird gehen.

Goldene Pferde 29, Eva Strautmann

Constituents Jacob Strautmann

       after Goldene Pferde 29
       by Eva Strautmann

The meeting was mostly cheerful,
    The Chief was mostly kind.
Rain on the streets pours gray in the quay.
    A housefly lingers on a black armband.

Whistles and taxis, a text from the train,
    Traffic in pastures and swingsets wet –
Across the river, a short match is lit,
    Lords of the art of the balance sheet

Surrender least for least:
     And what of Summer’s Bounty?
In chain and asphalt, orange trees
     Clasp de facto sovereignty.

The zoo and stables at half-past two,
    The library building, the tenement:
News is a bone stuck bare in a throat.
    A barman nods and pours his pint.

Legions rebelled, the Great Hall declined,
    Ragweed, a rock ledge in the wind:
The meeting was mostly cheerful,
    The Chief was mostly kind.

 

Beteiligte Kassi Burnett

       nach Goldene Pferde 29
       von Eva Strautmann

Die Versammlung war meist heiter,
    Die Chefin war meist gütig.
Grau strömt Regen auf den Straßen zum Kai.
    Eine Fliege ruht auf einem schwarzen Armband.

Pfeifen und Taxis, eine Textnachricht aus dem Zug,
    Verkehr auf Wiesen und Schaukeln, nass –
Jenseits des Flusses ein kurzes Streichholz entzündet.
    Herren der Bilanzkunst.

Das Geringste dem Geringsten überlassen:
    Und was ist von Sommers Fülle?
In Ketten und Asphalt ergreifen Orangenbäume
    De facto die Herrschaft.

Zoo und Stallungen um halb drei,
    Bibliotheksgebäude, Mietshaus:
Nachrichten sind Knochen, bloß im Hals verkeilt.
    Ein Barmann nickt und schenkt sein Bier ein.

Legionen rebellierten, die Große Halle zerfiel,
     Brennnessel, ein Felsvorsprung im Wind:
Die Versammlung war meist heiter,
    Die Chefin war meist gütig.

 

Jacob Strautmann ist Autor zweier Gedichtbände: «The Land of the Dead Is Open for Business» (2020) und «New Vrindaban» (2024), beide bei Four Way Books. Seine Gedichte erschienen im Boston Globe, im Appalachian Journal, in „On the Seawall“, im Agni Magazine und in „Blackbird“. Er arbeitete in den Bereichen Theater, Verwaltung und Kommunikation an der Boston University, wo er 20 Jahre lang auch Kreatives Schreiben lehrte. Derzeit arbeitet er an einem Gedichtmanuskript, das sich mit der Kunst von Eva Strautmann auseinandersetzt.

Webseite des Autors

Kassi Burnett promovierte in Germanistik an der Ohio State University und absolvierte ein Fulbright-Forschungsstipendium am Rachel Carson Center der LMU München. Ihre Forschung verbindet Umwelt- und Disability Studies mit zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur. Publikationen von ihr erschienen in Oxford German Studies, Non Fiktion und Studies in the Humanities. Sie unterrichtete Deutsch an der Ohio State University, der Denison University und der Middlebury Summer Language School. Zusätzlich zu ihrer akademischen Arbeit veröffentlichte sie journalistische und literarische Texte, u. a. in The Columbus Dispatch und Simplicissimus (Harvard). Heute arbeitet sie als Softwareentwicklerin in Atlanta, Georgia, und beschäftigt sich weiterhin mit Literatur und Übersetzung.

Beitragsbild © Jacob Strautmann