Unsere westliche, europäische Kultur ist untrennbar mit dem Buch verbunden, dem Geschriebenen zwischen zwei Buchdeckel gefasst. Lesen eine Kulturtechnik, der man sich unmöglich entziehen kann, auch wenn laut Statistik mehr als eine halbe Million Personen in der Schweiz nicht richtig lesen und schreiben können. Ist der Welttag des Buches bloss eine PR-Aktion? Wer beginnt schon zu lesen, wenn er ein Buch geschenkt bekommt? Bei mir klappte das nicht.
Gibt es einen Welttag des Fernsehens, des Computergames, des Autos, des Sitzens, des Pinsels? Müsste der Welttag des Buches nicht viel eher «Welttag des Lesens» heissen? Ein Tag, an dem allen bewusst sein müsste, dass längst nicht alle Kinder eine Schule besuchen können, längst nicht alle Menschen Zugang zu Büchern oder Zeitungen haben, die Kulturtechnik des Lesens im Zeitalter des Bildschirms und der Piktogramme immer weniger zur Selbstverständlichkeit wird. Dass Lesen zu einem Verbrechen werden kann. Früher las man selbst in bildungsfernen Stuben wenigstens in der Bibel. Heute kann man Geräte ohne eine Gebrauchsanweisung bedienen, Mitteilungen ohne Schriftzeichen übermitteln. Vom Illettrismus betroffene Menschen, die einmal Lesen und Schreiben lernten, die Fähigkeiten aber wieder verloren, entwickeln raffinierte Verhaltensweisen, um mit ihrer Schwäche, ihrem Unvermögen nicht aufzufallen oder anzustehen.
Schön, wenn Bücher verschenkt werden. Schön, wenn an einer solchen Aktion Kindern Gutscheine verteilt werden, wenn man sich am Samstag davor in Buchhandlungen ganz besonders umworben fühlt.
Solange Bibliotheken aber immer noch um finanzielle Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand zittern müssen, solange es Bücher gibt, die es auf einen Index schaffen, solange man Bücher als Kampfschriften gegen die westliche Welt verteilt und damit missbraucht, solange 6 Jahre Schreibarbeit an einem Buch und 5000 verkaufte Exemplare höchstens ein Taschengeld für einen Schriftsteller abwerfen, solange Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Schriften in Gefängnisse weggesperrt werden oder aus ihrer Heimat fliehen müssen, solange hinter einem Buch das Wirken des Santans vermutet wird, solange braucht es jährlich mindestens einen Tag des Buches.
Der Welttag des Buches und des Urheberrechts (kurz Weltbuchtag, englisch World Book and Copyright Day) am 23. April ist seit 1995 ein von der UNESCO weltweit eingerichteter Feiertag für das Lesen, für Bücher, für die Kultur des geschriebenen Wortes und auch für die Rechte ihrer Autoren.
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