Alice Grünfelder «Postkarten aus Sri Lanka» 3/3

Füsse
gehen barfuss den sandigen Weg hinauf, begleitet wird das Mädchen von zwei Schwestern, Freundinnen vielleicht, ihr Kopf unter einem Tuch, und damit kein Blick in die Zukunft.

Boote
schweben fast, als die Flut sie holt, so leicht ist ihr Fang, das Meer rollt und rollt, am Himmel ein Kinderdrachen, sein langer Schwanz aus schwarzen Müllsäcken zusammengeklebt.

***

Bäume («Postkarten aus Sri Lanka» 2/3)
mit dunklen Striemen, Schnittwunden tropfen schon lange nicht mehr, damit anderswo schwarzer Gummi rollt.

Tee
Sträucher, in zahllosen Reihen wie Striche am Hang, Grünspitzen werden gepflückt, Säcke warten am Strassenrand – Rast nur in Waldtempeln, wenig mehr als ein hochgestellter Stein mit gelber Bauchbinde unter wiegenden Baumkronen.

***

Schuss («Postkarten aus Sri Lanka» 1/3)
und schon kommen Menschen um eine Wegbiegung, Schuss, tragen ein längliches Etwas auf ihren Schultern, Schuss, Schuss, ein „big man“ sei gestorben, sagt eine Frau, meint sie „tall“ oder „big“, immerhin ragt ein weisser Haarschopf hervor, noch ein Schuss, auf einem Strommast klebt die Todesanzeige, 90 Jahre ist er geworden, der Weg ins Jenseits muss ihm freigeschossen werden.

***

Alice Grünfelder, 1964 im Schwarzwald geboren, aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd – studierte nach einer Buchhändlerlehre Sinologie und Germanistik in Berlin (FU, Magister Artium) und Chengdu (China), war 1997–99 Lektorin beim Unionsverlag in Zürich, für den sie 2004–2010 die Türkische Bibliothek betreute. Vermittelte und übersetzte von 2001-2010 Literaturen aus Asien. Seit 2010 unterrichtet sie Jugendliche, leitet Workshops rund ums Schreiben, Lektorieren und Übersetzen und ist als freie Lektorin tätig. Von Februar bis Juli 2020 war sie für ein Sabbatical in Taipei (Taiwan). Sie ist Herausgeberin mehrerer Asien-Publikationen, schreibt Essays, Erzählungen und Romane, zuletzt bei dtv «Jahrhundertsommer«. Das Buch «Wolken über Taiwan» (Rotpunktverlag) stand 2022 auf der Hotlist der Unabhängigen Verlage. Diverse Auszeichnungen, u.a. nominiert für den Irseer-Pegasus-Literaturpreis 2019, Werkjahr der Stadt Zürich 2019.

Postkarten aus Taiwan

Webseite der Autorin

Beitragsbilder © Alice Grünfelder

Alice Grünfelder «Postkarten aus Sri Lanka» 2/3

Bäume
mit dunklen Striemen, Schnittwunden tropfen schon lange nicht mehr, damit anderswo schwarzer Gummi rollt.

Tee
Sträucher, in zahllosen Reihen wie Striche am Hang, Grünspitzen werden gepflückt, Säcke warten am Strassenrand – Rast nur in Waldtempeln, wenig mehr als ein hochgestellter Stein mit gelber Bauchbinde unter wiegenden Baumkronen.

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Schuss («Postkarten aus Sri Lanka» 1/3)
und schon kommen Menschen um eine Wegbiegung, Schuss, tragen ein längliches Etwas auf ihren Schultern, Schuss, Schuss, ein „big man“ sei gestorben, sagt eine Frau, meint sie „tall“ oder „big“, immerhin ragt ein weisser Haarschopf hervor, noch ein Schuss, auf einem Strommast klebt die Todesanzeige, 90 Jahre ist er geworden, der Weg ins Jenseits muss ihm freigeschossen werden.

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Alice Grünfelder, 1964 im Schwarzwald geboren, aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd – studierte nach einer Buchhändlerlehre Sinologie und Germanistik in Berlin (FU, Magister Artium) und Chengdu (China), war 1997–99 Lektorin beim Unionsverlag in Zürich, für den sie 2004–2010 die Türkische Bibliothek betreute. Vermittelte und übersetzte von 2001-2010 Literaturen aus Asien. Seit 2010 unterrichtet sie Jugendliche, leitet Workshops rund ums Schreiben, Lektorieren und Übersetzen und ist als freie Lektorin tätig. Von Februar bis Juli 2020 war sie für ein Sabbatical in Taipei (Taiwan). Sie ist Herausgeberin mehrerer Asien-Publikationen, schreibt Essays, Erzählungen und Romane, zuletzt bei dtv «Jahrhundertsommer«. Das Buch «Wolken über Taiwan» (Rotpunktverlag) stand 2022 auf der Hotlist der Unabhängigen Verlage. Diverse Auszeichnungen, u.a. nominiert für den Irseer-Pegasus-Literaturpreis 2019, Werkjahr der Stadt Zürich 2019.

Postkarten aus Taiwan

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Beitragsbilder © Alice Grünfelder

Alice Grünfelder «Postkarten aus Sri Lanka» 1/3

Schuss
und schon kommen Menschen um eine Wegbiegung, Schuss, tragen ein längliches Etwas auf ihren Schultern, Schuss, Schuss, ein „big man“ sei gestorben, sagt eine Frau, meint sie „tall“ oder „big“, immerhin ragt ein weisser Haarschopf hervor, noch ein Schuss, auf einem Strommast klebt die Todesanzeige, 90 Jahre ist er geworden, der Weg ins Jenseits muss ihm freigeschossen werden.

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Alice Grünfelder, 1964 im Schwarzwald geboren, aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd – studierte nach einer Buchhändlerlehre Sinologie und Germanistik in Berlin (FU, Magister Artium) und Chengdu (China), war 1997–99 Lektorin beim Unionsverlag in Zürich, für den sie 2004–2010 die Türkische Bibliothek betreute. Vermittelte und übersetzte von 2001-2010 Literaturen aus Asien. Seit 2010 unterrichtet sie Jugendliche, leitet Workshops rund ums Schreiben, Lektorieren und Übersetzen und ist als freie Lektorin tätig. Von Februar bis Juli 2020 war sie für ein Sabbatical in Taipei (Taiwan). Sie ist Herausgeberin mehrerer Asien-Publikationen, schreibt Essays, Erzählungen und Romane, zuletzt bei dtv «Jahrhundertsommer«. Das Buch «Wolken über Taiwan» (Rotpunktverlag) stand 2022 auf der Hotlist der Unabhängigen Verlage. Diverse Auszeichnungen, u.a. nominiert für den Irseer-Pegasus-Literaturpreis 2019, Werkjahr der Stadt Zürich 2019.

Postkarten aus Taiwan

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