Als „ter fögi ische souhung“ von Martin Frank 1979 erschien, war der Roman Sensation und Skandal zugleich. Der Roman bestach erst recht damals mit seiner absoluten Eigenwilligkeit, seiner Unverblümtheit und als erster queerer Mundartroman aus der Schweiz. Auch über vier Jahrzehnte nach seinem Ersterscheinen ist „ter fögi ische souhung“ ein Ereignis!
Beni ist fünfzehn und irgendwo zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Pflichten und Rebellion, zwischen Rausch und Zorn. Die Beziehung mit seinen Eltern ist schwierig. Sie haben resigniert, ihren Sohn auf den richtigen Weg zu bringen. Nicht einmal ein arrangiertes Treffen mit dem erfolgreichen Onkel bringt Beni zurück auf den tugendhaften Weg. Beni hat ganz andere Vorstellungen von Leben, einem Leben, das gar nichts zu tun haben will mit den Konventionen der Zeit.
Beni will sein wie Fögi. Wie Fögi Musik machen. Musik wie die Stones. Wie Fögi die Welt sehen. Wie Fögi das Leben geniessen und abhängen. Fögi ist zehn Jahre älter als Beni und versucht sich mit seiner Band über Wasser zu halten, was ihm mehr schlecht als recht gelingt. Es geht nicht ohne das Verticken von Stoff, den er für sich und seine Band, für Beni und zum Verkauf besorgt, mit Connections bis in den Libanon und nach Schweden. Beni vergöttert Fögi als seinen ganz persönlichen Guru. Er liebt ihn, ist ihm verfallen. Er liebt ihn über alles, nur schon deshalb, weil Fögi ihm alles gibt, was ihm sein Leben sonst verweigert. Beni fühlt sich getragen und begehrt, verstanden und geliebt.
«mängisch chunntermer for wine guru odere zem meischter so öpis fo rue giz eifach nid.»
Zusammen mit Fögi taucht er immer öfter und intensiver ab in den Rausch, erlebt die Fahrten in den Taumel zusammen mit seinem Freund wie ein weiches grosses Bett, ein in weiche Decken gepolsterter Himmel des Glücks. Und wie alle, die sich solchen Zuständen ergeben mit dem Glauben, alles vollkommen im Griff zu haben.
Da ist die Geschichte eines Jugendlichen, der in eine Zwischenwelt ab- und eintaucht. Aber da ist auch die absolute Selbstverständlichkeit, mit der sich Beni seinen Neigungen hingibt, seiner Liebe zu Fögi, seinem Traum einer ganz eigenen Zweisamkeit. Als der Roman 1979 erschien, entsprach die Welt der meisten so gar nicht der, die Beni und Fögi auslebten. Dass Martin Franks Art über alternative Lebensvorstellungen und die Schwulenszene zu schreiben später unter den Eindrücken und Schreckensszenarien von Aids wieder verwässert wurde, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich hingegen ist es, dass dieser Roman, der wie „Mars“ von Fritz Zorn (erschienen 1977) in vielerlei Hinsicht einzigartig ist in der Schweizer Literaturgeschichte.
Neben Geschichte, Szenerie und Selbstverständlichkeit ist es aber vor allem die Sprache, die Mundart, die in Schrift gefasste Mundart, beinah phonetisch, die Martin Frank zu einer Kunstsprache macht, ermachis eifach uf guet Glük. Ein Unterfangen, dass das Lesen nicht einfach, aber – wer genug Geduld aufbringt – zu einem ganz besonderen Lesegenuss macht, einem Lesen zwischen kindlicher Freude und einer Authentizität, die sonst in der geschriebenen Sprache kaum erreichbar ist.
«tagen unächt schpile lose schite trip ufoglen uaues he zech ufglöst inen uferlose fluss womer trin tribe si oder no bessere teil fo üsem tanz fürnen übermächtige go.»
„ter fögi ische souhung“ ist ein Stück Geschichte, Literatur- und Kulturgeschichte. Ein ganz spezieller Genuss!
Martin Frank, geboren 1950, aufgewachsen in Bern und Zürich. Ab 1970 Reisen in Süd- und Nordindien, wo er Hindi, Urdu und Tamil lernte. Die Erzählungen «Blinde Brüder» erhielten 2001 den Buchpreis der Stadt Bern. Martin Frank schreibt Schweizerdeutsch, Deutsch und Englisch. Letzte Veröffentlichung: «Venedig, 1911» (Rimbaud Verlag, 2021).
Beitragsbild © Ayse Yavas