Michèle Minelli «All das Schöne», Saatgut

Elisa und Jakob lernten sich erst spät kennen und lieben. Elisa, von einer geschiedenen Ehe verwundet, zieht in das Haus, in dem Jakob hoch über dem Tal seit Jahrzehnten lebt, in ein Haus, in dem die Welt in Ordnung ist, alles seinen Platz hat, auch die späte Liebe zwischen Elisa und Jakob. Bis Jakob stirbt.

„All das Schöne. Die Geschichte von Jakob und Elisa“ ist eine Liebesgeschichte, auch wenn der Tod etwas Grosses wegbrechen liess. Dieser Roman ist eine Liebeserklärung an einen Mann, von dem Elisa erst nach viel Schmerz und Verwundungen neues Vertrauen schöpfte und zu ihm in das Haus über dem Tal zog. In ein Haus mit Weitsicht, ein Haus, das sich über die Jahrzehnte wie eine erweiterte Seelenlandschaft um diesen einen Mann ordnete. Die Liebeserklärung an ein Lieben zu zweit in gegenseitigem Respekt, ohne diese permanente Angst, betrogen und enttäuscht zu werden. Die Liebeserklärung an einen Garten, eine kleine, intakte Welt, voller Leben und Gegenstände, die alle in einer Ordnung zueinander stehen. Die Liebe an ein Leben in Ruhe und Beständigkeit, in dem plötzlich aufbrechen kann, was über lange Zeit blockiert war.

Bis Jakobs Husten, seine Krankheit das Leben im Haus über dem Tal mehr und mehr einnimmt und selbst Jokobs Schwester mit ihrer Hilfe nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Zweisamkeit in diesem kleinen Paradies endlich ist. Jakob stirbt und Elisa bleibt alleine in dem Haus mit Garten und Katzen zurück. Elisa muss sich neu finden. Da ist die Trauer, die Lähmung, der Schmerz und die Sehnsucht. Aber in und um dieses Haus erinnert alles an ein gemeinsames Leben, ist alles durchsetzt von Jakobs Ordnung, seiner sanften Kraft an Garten, Haus und Tieren, der Wärme, die sein Tun und Sein begleitete. Mit einem Mal werden Gemeinsamkeiten zu Erinnerungen, das, was sie wie einen Schatz in sich trägt, wie ein Garten, für dessen Früchte man etwas tun muss.

„Trauer verläuft nicht in geregelten Bahnen. Trauer kennt keinen Massstab und kein Mass.“

Michèle Minelli «All das Schöne. Die Geschichte von Jakob und Elisa», Saatgut, 2024, mit 11 Schwarz-Weiss-Illustrationen von Janine Grünenwald, 96 Seiten, CHF ca. 28.00, ISBN 978-3-9525244-8-0

Elisas Leben ist an einem Wendepunkt. Kann aus Trauer neuer Mut wachsen? Wie viel stirbt mit? Elisa lebte einst in der Stadt, schälte sich aus einem Leben, mit dem sie sich in den Jahren zusammen mit Jakob versöhnen konnte, das sie besiegte, das zusammen mit Jakob so viel möglich werden liess, dass Elisa sogar für eine Familie bereit gewesen wäre. Jakob war der Mann, der ihr Sicherheit gegeben hatte, sie auch jetzt, nach seinem Tod, noch immer gibt. Selbst in jenen Zeiten, als sich keimendes Familienglück dann doch nicht einstellte und es wieder Jakob war, der sie vor dem Wegsinken rettete.

„All das Schöne“ spielt über vier Jahreszeiten, spiegelt ein Leben, das sich von einem Winter, in dem der Tod sie aus ihrem Glück riss bis in den Winter danach hangelt, in dem Elisa neuen Mut findet, über ein Jahr in Haus und Garten, das ein langes Abschiednehmen ist. „All das Schöne“ ist ein ungeheuer zärtliches Buch, das nie in Rührseligkeit abdriftet, eine buchlange Liebeserklärung an ein Leben, einen Plan, eine Ordnung, ein Sein, das von gegenseitigem Respekt getragen ist. Aber „All das Schöne“ ist auch ein Trauerbuch, ein Abschiedsbuch, ein Buch der Selbstvergewisserung. Ein Buch von einer Frau, die mit einem Mal auf sich selbst zurückgeworfen ist, die mit jedem Schritt in eine neue Ordnung ihr Leben zurückgewinnen muss.

„In dem ein Leben mit einer Geburt beginnt und mit dem Tod endet, wird es zu einer Geschichte. Alles was mit dir und durch dich war, ist nun zu einer Geschichte geworden. Jakob, mit einem fest verfugten Anfang. Und einem Ende. Auf dieser Wiese vor mir. Ich ziehe die Jacke enger.“

Ein Buch, das wärmt!

Michèle Minelli, Schriftstellerin und Filmschaffende, lebt und arbeitet auf dem Iselisberg. Koordinatorin der Franz-Edelmaier-Residenz für Literatur und Menschenrechte in Meran, Vorstandsmitglied Deutschschweizer PEN-Zentrum. Seit 2000 sechs Sachbücher und acht Romane mit Übersetzungen ins Französische, Chinesische und Albanische. Minelli ist verheiratet mit dem Schriftsteller Peter Höner.

Janine Grünenwald malte schon als Kind im Architekturbüro ihres Vaters stundenlang. Seit 2015 illustriert sie eigene Comics, Postkarten, Kalender u.a. im Hasenbureaux.ch. Sie lebt und arbeitet in Zürich. All das Schöne ist der erste Roman, den sie illustriert.

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Beitragsbild © Anne Bürgisser