Was wie ein Song von Endo Anaconda tönt, ist der neuste Streich des grossen Mannes aus Olten. Ein Buch mit einem ungeheuren Groove, dem Sound der Kleinstadt, aber ohne Mief, dafür mit Leidenschaft für all das, was die Povinz ausmacht und Pedro Lenz seit seinem Bestseller «Dr Goalie bin ich» in Reinkultur verkörpert.
Jackpot ist um die vierzig und heisst eigentlich Franz, Franz Gobeur. Aber er mag es nicht, wenn er Franz gerufen wird und das wissen seine Freunde. Am allerbesten wissen das die alternden Malerfreunde Grunz und Louis. Franz ist Jackpot, am liebsten der Jackpot, auch für die junge Fanny, die Modell steht bei seinem Freund Grunz, die er das erste Mal unter seiner Tür zu dessen Atelier trifft. Eine Frau, die aus einer andern Welt zu sein scheint, die sich auf Leinwand gebannt tief in die Seele des Mannes brennt. Jackpot ist Schriftsteller, auch wenn es mit der Schriftstellerei nur mühsam voran geht. Er lebt vom Wettglück und den Gaben seines Bruders, der in der Industrie das grosse Geld macht. Fanny wirft Jackpot aus der Bahn. Da helfen die guten Ratschläge seiner Malerfreunde wenig, erst recht nicht, als Jackpot in ihnen Konkurrenten und Nebenbuhler wittert. Und als Fanny dann eines Nachts doch noch Jackpots Wohnungstür von innen abschliesst, glaubt Jackpot an die Erfüllung seiner kühnsten Träume. Aber die schöne Fanny ist und bleibt die, die mir wie Jackpot auf der ersten Seite seines Berichts begegnet; eine Frau, die sich nicht fassen, nicht anbinden lässt.
Aber Pedro Lenz ist Pedro Lenz. Und Pedro Lenz schreibt nicht bloss eine Liebesgeschichte. Was mit Fanny durch das Leben der drei Künstlerfreunde wirbelt, ist ein veritabler Sturm, der sogar ihre Freundschaft bedroht. Aber Jackpot gelingt es, durch diesen Sturm endlich auf Kurs in seiner Schreiberei zu kommen. Pedro Lenz neue Romanfiguren sind im Vergleich zu seinem ersten Roman «Dr Goalie bin ich» keine Verlierertypen. Wohl gibt es sie als Personal um das Dreigestirn herum, wie immer liebevoll gezeichnet. «Di schöni Fanny» ist ein Buch über Freundschaft. Das Buch scheint fast nur in Dialogen erzählt, angereichert mit viel Kaffee, Wein, Bier, manchmal Gebranntem, Kutteln und aufgewärmtem Rindsragout. Pedro Lenz schafft eine ganz spezielle Nähe. Es ist, als ob ich Jackpots Nähe spüre, seine schlacksigen Bewegungen, den Sound seiner Stimme, als würde der Bass in meinem Bauch vibrieren.
Pedro Lenz erzählt auch vom Schreiben, von Kunst, davon, dass Malen und Schreiben Geschwister sind, eine Art des Schauens, der Wahrnehmung. Pedro Lenz sieht nicht nur, was ist, sondern immer auch, was sein könnte. Kunst braucht ein Gegenüber, ein Publikum. Und nicht selten mockiert sich der übers Publikum, der keines hat. Und doch spüre ich in Pedro Lenz Schreiben den latenten Schmerz darüber, dass sich die Welt nicht retten lässt, dass jene Provinz, jenes Olten, das er liebt, das nur noch in Ritzen und Rändern wächst, weit weg ist von High End, Style, Hochglanz und Hochfinanz.
Ein bitterschönes Buch, eine Perle. «Die schöni Fanny» berührt.
1965 in Langenthal geboren, Sohn einer Spanierin und eines Direktors einer Porzellanfabrik, schloss Pedro Lenz 1984 die Lehre als Maurer ab und arbeitete auch mehrere Jahre auf dem Bau. Später interssierte er sich für Theologie und studierte einige Semester spanische Literatur an der Universität Bern. Seit 2001 arbeitet er vollzeitlich als Schriftsteller. Lenz schreibt Kolumnen, Gedichte, Theatertexte, Kurzprosa und Romane. Pedro Lenz ist Mitglied des Bühnenprojekts «Hohe Stirnen» und der Spoken-Word-Gruppe «Bern ist überall». 2008 nahm er an den Klagenfurter Literaturtagen teil. Pedro Lenz lebt in Olten.
(Titelbild: Patricia von Ah, mit freundlicher Genehmigung der Kulturagentur desto-besser)