Molly Brodaks Buch ist kein Roman, aber ein gut geschriebener Bericht über eine junge Frau, die die Tochter eines Bankräubers ist, darüber, was Eltern mit ihrem Leben bei ihren Kindern anrichten. Lesbar macht das Buch die Distanz, mit der die junge Amerikanerin schreibt und sich dabei weit mehr als nur Gedanken über ihr schwieriges Band zu einem fremden Vater macht.
«Ich weiss nicht, ob er ein Soziopath ist. Ich weiss nur, dass er in allem betrogen hat. Er log jeden an, hielt uns immer fern und widersetzte sich jeder normalen zivilisatorischen Struktur: Arbeit, Familie, Unterhaltung, Ökonomie, Liebe. Wenn er wirklich dachte, er käme mit seinen ganzen Betrügereien, seinem lebenslangen Lügen durch – und anfangs sah es ja durchaus danach aus – , dann ja, dann hat sein Denken etwas beharrlich Verrücktes. Aber wenn er alles im Wissen um die Konsequenzen tat und sich bewusst war, wen und was er alles verlieren würde, und dennoch weitermachte – dann sieht das nach etwas anderem aus – nach echtem Unheil.»
Ein Stück «american history», von Menschen, die nie ankommen, dauernd getrieben sind, der amerikanischen Seele, die trotz Therapeuten im Wohnzimmer und dem Gefühl, am Nabel der Welt zu leben, kein Zuhause finden. Molly Brodak schildert den Schrei, ihren langen Schrei aus ihrem Innern: «Nichts kann mir etwas anhaben, weder die Ignoranz des Vaters noch die tiefen Stürze der Mutter.»
Warum soll man dieses Buch lesen? Weil es der Autorin gelingt mit ungewohnter Distanz auf das zu sehen, was ihr in ihrer Familie, ihrer Einsamkeit widerfuhr. Wenn ein Vater nicht nur das Geld aus der Sparbüchse seiner Kinder klaut, sondern damit auch das Urvertrauen in eine Welt, die auf gegenseitigem Respekt ruhen sollte. Eine Tochter, die sich an einen verlorenen Vater herantastet.
Molly Brodak, wurde 1980 in Michigan geboren und lebt heute in Georgia, wo sie an der Augusta University Englische Literatur unterrichtet. Bislang veröffentliche sie Gedichte in literarischen Periodika und in der Presse. 2009 erhielt sie für ihren Lyrikband A Little Middle of the Night den Iowa Poetry Price.