Marc Djizmedjian «Der Mann, der keine Weihnachten feierte»

Als der Mann, der keine Weihnachten feierte, gefragt wurde, wie er dieses Jahr Weihnachten feiere, sagte er: Auch dieses Jahr feiere ich keine Weihnachten, denn auch dieses Jahr sehe ich nicht den geringsten Grund dazu. Ich habe auch in früheren Jahren nie Grund dazu gesehen, weshalb ich auch in früheren Jahren nie auf die Idee kam, Weihnachten zu feiern. Natürlich würde ich, fuhr er fort, hätte ich Grund dazu, ich meine, berechtigten Grund, Weihnachten feiern, ich würde tun, was alle tun, und eigentlich würde ich nichts lieber tun, denn in rechtem Lichte besehen sind Weihnachten ein schönes, weil zutrauendes Fest, das in jedem Fall zu feiern wäre, gerade in einer lichtfernen Zeit wie dieser – – da ich aber, wie dargelegt, auch dieses Jahr nicht den geringsten Grund dazu erkennen kann, werde ich es auch dieses Jahr nicht tun. Er sagte dies mit einem leisen Bedauern, das er sich doch nicht recht eingestehen mochte. Er ahnte ja längst, dass ihn nicht das scheinbare Fehlen von Gründen, sondern das Nicht-Erkennen-Können daran hinderte, es den Anderen gleichzutun und endlich Weihnachten zu feiern. Doch statt zu überbrücken, was ihn hinderte, blieb er beklommen davor stehen.

Marc Djizmedjian wurde in Zürich geboren und ist da aufgewachsen. Nach einigen Semestern Studium der Psychologie und Philosophie an der Universität Zürich absolvierte er eine Ausbildung als Redaktor und besuchte das Medienausbildungszentrum Luzern. Danach Tätigkeit bei verschiedenen Medien. Seit Anfang der neunziger Jahre literarisches Arbeiten (Erzählung, Kleine Prosa, gelegentlich Lyrik). 2021 erschien bei Telegramme seine Erzählungen «Schnee in Venedig».

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