literaturblatt.ch fragt Sandra Hughes über ihren Krimi «Tessiner Verwicklungen»

Der Kampa Verlag mausert sich! Nicht nur als der Verlag mit der Nobelpreisträgerin Olga Tokarcuk, der mit einem exquisiten und feinst edierten Belletristikprogramm, sondern neben den Maigret-Romanen aus dem unendlich scheinenden Georges-Simenon-Reservoir mit einem Krimireigen, der es in sich hat.

Neben Louise Penny, Hansjörg Schertenleib, Gian Maria Calonder alias Tim Krohn und andern, schreibt auch Sandra Hughes Krimis im Gewand des Kampa Verlags. Krimis rund um das Ermittlerduo Emma Tschopp und Commissario Bianchi.

Interview mit Sandra Hughes:

Eine junge Frau, von der alle sagen, sie hätte keine Feinde, alle hätten sie gemocht, ist das Opfer oder zumindest eines deiner Opfer in deinem ersten Krimi. Was stand beim Schreiben am Beginn; das Verbrechen oder eine andere Szenerie?
Zu Beginn standen die Pastafabrik und die Familie, die sie in dritter Generation betreibt. Gegen aussen viel Tradition, gemeinsames Einstehen für Qualität. Aber was verbirgt sich dahinter? Hinter Fassade, Fleiss und demonstriertem Familiensinn? Da fantasiere ich, da kommt sofort Lust auf, dahinter zu schauen. 

Eine junge Frau wird erschlagen. Sie liegt mit blau gewordener Haut tot im Kühlraum einer kleinen Pastafabrik, einer Pastamanufaktur. Warum müssen Menschen sterben, damit daraus ein Krimi wird? Welche Seite des Menschen wird mit Krimis bedient? Wie schwer fiel es dir, die junge Frau sterben zu lassen.
Es fiel mir leicht, sie sterben zu lassen. Das hängt bestimmt damit zusammen, dass ich keinen Bezug zur Figur der jungen Frau habe. Dafür kenne ich sie zu wenig. Ich setze sie ganz strategisch als Opfer ein. Gerade weil sie jung, unschuldig und nett ist, zeigt sie umso brutaler auf, worauf mein Interesse sich richtet: Was muss geschehen sein, dass ein Mensch einen anderen Menschen umbringt? Einen solch netten Menschen? Wie verletzt, versehrt, ohnmächtig muss jemand sein, wie krass eine Konstellation?

Stefanie Schwendener, die junge Frau im Kühlraum, ist nicht das einzige Opfer in deinem Roman, nicht einmal die einzige Tote. Da ist die Familie Savelli, eine alt eingesessene Familie, die die Pastamanufaktur betreibt. Ein alt und schrullig gewordener Patron, sein Schwiegersohn, der die Firma leitet, seine Frau, die Tochter des Patrons und ihre zwei Brüder. Ein Ensemble, das du wie in einem alten Agathe Christie Krimi sich versammeln lässt, jeder mit Gründen genug, ein Verbrechen zu begehen. Wie weit holt man sich als Krimiautorin Bilder aus eigener Krimilektüre?
Ich bin mit der Krimilektüre in die Lehre bei anderen Autorinnen und Autoren gegangen. Sie hat mir ein Feld von Möglichkeiten eröffnet. Beim eigenen Konzipieren bin ich inspiriert gewesen vom Vorgehen, einen Erzählstrang von ganz weit – von Ort und Zeit her – einzubringen, der vermeintlich nichts mit der Klärung des Verbrechens zu tun hat, sich dann aber zunehmend mit dem aktuellen Geschehen verflechtet. 

Ein weiteres Opfer kommt aus einem Kinderheim, das von „Barmherzigen Schwestern“ geführt wird. Du nennst dieses Kinderheim „Ballenmoos“. Du fiktionalisierst es, entlehnst den Skandal aus der Realität, wo es doch auch in der Schweiz religiös geführte Kinderheime gab, in denen regelrechte Gräueltaten begangen wurden. Braucht es diesen Schritt des Fiktionalisierens? War da auch die Lust, in eine Eiterbeule zu stechen?
Fiktionalisieren ist für mich zwingend, ich bin Romanautorin und nicht Journalistin. Das gibt mir die Freiheit, die mir beim Schreiben so gefällt. Ich darf fantasieren, muss nicht investigativ aufdecken. Insofern: Nein, keine Lust, in eine Eiterbeule zu stechen. Aber weil mich diese Missbräuche in den Kinderheimen so beschäftigten, nachdem ich via Internetrecherchen zufällig auf deren Aufarbeitung kam, haben sie jetzt eine Rolle im Roman bekommen. Auch hier die Frage, die mich umtreibt: Was muss geschehen sein, dass ein Mensch – im Fall hier eine Ordensschwester – ein Kind quält? 

Du hast beim Limmat Verlag die Romane „Lee Gustavo“ und „Maus im Kopf“ herausgegeben. Beim Dörlemann Verlag die Liebesgeschichte „Zimmer 307“ und den Roman „Fallen“, der sich schon ganz nahe am Typ Krimi einreihen lässt. War dein Weg zum Krimi für dich absehbar?
Nein. Es ist das Konzept der Rache, das mich im Schreiben immer schon beschäftigt. Rache kommt in allen bisherigen Romanen vor. Auf je eigene Weise, aber nirgendwo im Sinn von «Whodunit». Das wurde nun erst im «richtigen» Krimi wichtig und forderte mich zu einem ganz anderen Vorgehen beim Schreiben heraus, nämlich die Geschichte vom Ende her zu konzipieren. 

Emma Tschopp, deine Ermittlerin. Kannst du etwas darüber erzählen, wie du auf diese Person gekommen bist, wie du sie gebaut hast?
Ich wollte eine Baselbieter Polizistin, eine starke, lebenserfahrene Frau. Das war mein Grundanliegen. In allem anderen laufe ich Emma Tschopp hinterher: Wenn sie ermittelt, aufbraust, sinniert, stolpert, fröhlich ist. Ich mag sie sehr gern, es macht mir Freude, ihr schreibend zu folgen.  

Wenn Emma Tschopp auch für künftige Krimis eine gute Figur machen soll, muss man sie so konstruieren, dass sie als Person gleichzeitig nahe kommt und doch ein weites Feld bietet, sie nach und nach auszuleuchten. Wir Leser erfahren zwar einiges, auch dass man sie schätzt als Kriminologin, dass sie durchaus attraktiv sein muss, denn der Tessiner Commissario Bianchi verhält sich dementsprechend. Muss von der Hauptperson, von Emma Tschopp bei dir alles schon ausgeleuchtet sein oder sind da auch für dich noch geschlossene Türen?
Auf jeden Fall geschlossene Türen. Einen Menschen kennenzulernen scheint mir ein Prozess zu sein, der immer weitergeht. 

Fast am Schluss des Romans lässt du die Vermittlerin Emma Tschopp sagen: „Mein ganzes Arbeitsleben lang kämpfe ich schon für die Gerechtigkeit. Aber es gibt keine.“ Kannst du diesen Satz erläutern?
Emmas Erfahrung seit Kind: Die Menschen sind ungerecht, unser System ist es auch. Warum wurde ihr rothaariger Schulkollege verspottet und ausgeschlossen? Hat sich bei den Spöttern irgendetwas verändert, weil Emma sich für ihren Kollegen eingesetzt hatte? Nein. Bringt Emmas und Marcos Aufklärung des Mordes mehr Licht ins Leben der Eltern, die ihre Tochter verloren haben? Nicht wirklich. Im Gegenteil: Sie zieht noch einen Menschen mit in den Abgrund, wobei da nicht mehr verraten sein soll. Trotzdem macht Emma immer weiter, sie kann nicht anders. Dafür bewundere ich sie. 

Der Fabrikant Savelli gibt Hartweizengries und Wasser in einen grossen Behälter und vermengt beides zu einem zähen Brei, der Teig, der dann zu Teigwaren verarbeitet wird. Was braucht es für einen guten Krimi? Reicht ein guter Plot und viel Wasser?
Die Sprache ist wichtig, im Kriminalroman genauso wie in meinen bisherigen Romanen. Bei allem Bemühen um Glaubwürdigkeit von Geschichte und Figuren, um Aufrechterhaltung der Spannung, um gut dosierte Hinweisbrocken, die ich einstreue, ist die Sprache zentral: Sie muss aus den Figuren herauskommen, ihnen und deren Geschichte angemessen sein. Das bedeutet viel Arbeit und damit viel Zeit, die ich dafür aufwende. 

Der Krimi, dein Roman, entschlüsselt sich wie jeder Krimi erst auf den letzten Seiten. Liest man deinen Krimi zum zweiten Mal, zeigt es sich, dass du gut dosiert ganz viele Hinweise in deinen Krimi einstreutest, die bei einer erneuten Lektüre glasklar werden, bei einer ersten Lektüre rätselhaft, fast kryptisch bleiben. Ein Kapitel auf Seite 82 besteht aus bloss sieben Wörtern, drei Sätzen. Ich habe deinen Krimi zweimal gelesen. Was aber wohl nicht die Regel ist, weil ja dann der Plot bekannt ist, das Rätsel gelöst. Da entgeht einem doch einiges?
Zuerst: Es freut mich sehr, dass du meinen Krimi zweimal gelesen hast, die Hinweise als gut dosiert einschätzt. Diese Hinweise haben mir nämlich viel abverlangt. Ja, bei «normaler» Lektüre, das heisst einmaligem Lesen, entgeht einem einiges. Aber das ist egal. Was gibt es für mich als Autorin Schöneres, als wenn die Leserinnen und Leser voll in die Geschichte eintauchen? Sie im besten Fall verschlingen, angetrieben durch Neugier, Lust, dem Rätsel auf die Spur zu kommen?

Sandra Hughes «Tessiner Verwicklungen», Kampa Krimi, 2020, 224 Seiten, CHF 21.90, ISBN 978-3-311-12013-1

Sandra Hughes, geboren 1966, wuchs in Luzern auf und lebt mit ihrer Familie in Allschwil bei Basel. Mit der Polizistin Emma Tschopp teilt sie die Vorliebe für Bistecca (saignant) und Blauschimmelkäse. Bisher schrieb sie Romane für Erwachsene und eine Geschichte für Kinder.

literaturblatt.ch fragt Ariela Sarbacher zu ihrem Debüt «Der Sommer im Garten meiner Mutter»

Ariela Sarbacher, kürzlich Gast im Literaturhaus Thurgau, beantwortet Fragen, die ich ihr gerne gestellt hätte.

Dein Buch beginnt mit einer Frage und einer Antwort:
„Mamma, was passiert, wenn man tot ist?“ „Dann wird plötzlich alles dunkel.“ Dein Buch endet mit dem selbstbestimmten Tod der Mutter. Dazwischen liegt alles. Vom Licht, das ausgelöscht wird, bis zum Drang, das Licht selber auslöschen zu wollen. Hat sich dein Verhältnis zu Sterben und Tod durchs Schreiben verändert?
In der Auseinandersetzung um den Entschluss der Mutter lernt Francesca diesen zu respektieren und sie aus der Verantwortung der Mutterrolle zu entlassen. Dadurch ändert sich Francescas Verhältnis zu ihrem Leben. Ihr wird bewusst was es heisst, ganz auf eigenen Füssen zu stehen und für sich selbst weiter zu gehen. Ich selbst habe noch kein Verhältnis zum Tod, ausser, dass ich noch lange hier bleiben möchte.

Du hast in der Ich-Perspektive geschrieben und dabei viel Nähe zugelassen. Warum nicht eine Perspektive aus der dritten Person?
Ich wollte eine eindringliche Erzählperspektive einnehmen, in der sich die Figur der Tochter durch verschiedene Lebensalter hindurch in unterschiedlicher Tonalität mit der der Mutter konfrontiert. Die Unmittelbarkeit war mir wichtig, durch die die Leser sich der Perspektive der Tochter nicht entziehen können und an ihr reiben müssen. Die dritte Person hätte Distanz zwischen den Lesern und dem Text geschaffen.

© Lea Frei/ Literaturhaus Thurgau

Dein Buch erzählt nicht chronologisch, sondern springt in der Zeit, fügt Stücke zusammen. Es gibt ganz lange Einstellungen und ganz kurze. Eigentlich so, wie wirkliches Erzählen passiert. Als sässe man vor einer ungeordneten Schachtel mit Fotografien. Kannst du etwas über die Entstehung deines Buches erzählen, wie sich die Geschichten zusammenfügten?
… ja, so wie wirkliches Erzählen passiert und so wie man auch lebt: mal bin ich ganz gegenwärtig, dann lasse ich mich von der Vergangenheit einholen und vielleicht auch bestimmen, dann träume ich mich vorwärts in eine unbekannte Zukunft, bin wieder hier … Die Stimme der «Kleinen» brachte den Stein ins Rollen. Die Zeitsprünge entstehen jedoch innerhalb einer Chronologie und einer genauen Dramaturgie.

Dein Roman ist durchsetzt mit Gedichten. Du bist Schauspielerin. Die Protagonistin Francesca auch, aufgewachsen in Sprache, in verschiedenen Sprachen. Was bedeutet Sprache im Leben von Ariela Sarbacher?
Knappe Sätze, die in ihrer Aussage verdichtet sind, liegen mir mehr, als das Weitschweifige. In den Gedichten finde ich Ausgleich und Freiheit, komplizierte Sachverhalte in Rhythmus und Klang zu verwandeln, ohne sie ihrer Komplexität zu berauben. Das Gedicht lässt keine Erklärung zu, es spricht für sich. Sprache bedeutet für mich persönlicher Ausdruck – sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben – und, wenn es gelingt, Kommunikation mit anderen. Ich könnte mir nie für mich vorstellen ein Schweigeseminar zu besuchen, das wäre die Hölle! Rückzug ist mir wichtig, aber immer mit der Möglichkeit nach aussen zu kommunizieren. Sprache bedeutet auch Identität.

Keine Angst, dass das in einer zukünftigen Welt immer mehr schwindet oder sich bis zur Unkenntlichkeit verändert?
Ich frage mich manchmal, was die verkürzte schnelle Art der schriftlichen Kommunikation mit uns macht. Kommunikation findet auch auf der nonverbalen Ebene statt. Sprache geht durch den Körper. Deswegen ist es wichtig, den ganzen Menschen gegenüber zu haben. Darin sehe ich eine Gefahr, in dieser zunehmend digitalisierten Welt. Ich fürchte mich vor einer körperlosen Welt, in der man vor allem schaut, tippt und auf dem Bildschirm nur noch den Ausschnitt von sich wahrnimmt, den man wahrhaben will.

© Lea Frei / Literaturhaus Thurgau

Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter in deinem Roman ist ein schwieriges, weit entfernt von der stets stark idealisierten Kind-Mutter-Bindung. Schon früh macht die Mutter der Tochter klar, dass sie nicht zur Mutter taugt, dass es besser gewesen wäre, es wäre gar nicht soweit gekommen. Schon alleine das wäre Stoff genug für ein Trauma. Aber die Mutter ist ehrlich. Hat Ehrlichkeit Schmerzgrenzen?
Die Mutter ist authentisch und handelt aus Überzeugung, ohne sich darum zu kümmern, wie die anderen damit zurechtkommen. Es ist nicht so, dass sie zur Rolle der Mutter nicht taugt, sie geht in der Rolle nicht auf.

Gibt es eine Beziehung, der man mehr Nähe zutraut, als einer Mutter-Tochter-Beziehung? Warum habe ich den Eindruck, dass die Nähe zu einem Vater nie von dieser Nähe sein kann?
Die Tatsache, dass ein Wesen im Körper einer anderen Person entsteht und neun Monate lang darin heranreift, ist nicht zu unterschätzen.

© Lea Frei / Literaturhaus Thurgau

Francesca wird schon als kleines Kind klar, dass ihre Mamma anders ist, nicht nur in ihrer Art zu gehen, die von einer langen Krankheit in der Jugend der Mutter begründet liegt. Aber Francesca liebt ihre Mutter. Sie verteidigt ihre Mutter, so wie das alle Kinder bis zu einem gewissen Alter tun. So wie alle Kinder ihre Mütter lieben. Aber diese Liebe bleibt ambivalent. Wann wird eine solche Ambivalenz schwierig?
Nicht die Liebe ist ambivalent, sondern das Verhältnis zwischen den beiden.

Irgendwo in der Mitte des Buches steht: „Seit ich zurückdenken kann, bin ich traurig. Die Trauer ist flach. Ich werde sie nicht los.“ Das sind Sätze, die sich eingraben. Und trotzdem ist dein Roman nicht selbstzerfleischend. War das alles Plan oder war das Schreiben intuitiv? Wie erreicht man es, dass der Ton nicht weinerlich wird?
Es freut mich, dass Du diesen Satz erwähnst. Es war der Versuch, der Geschichte auf den Grund zu gehen, da hätte Weinen keinen Platz gehabt, ich wollte die Geschichte ja begreifen, so habe ich sie Stück für Stück fortgeschrieben.

Beitragsbild © Lea Frei / Literaturhaus Thurgau, 

«In stillen Räumen» literaturblatt.ch fragt, Regula Wenger antwortet.

2015 sagte Verena Stössinger, Kulturjournalistin: «Zu den besonders überzeugenden Erstlings-Werken gehört dieses Jahr zweifellos Regula Wengers Roman «Leo war mein erster». Lakonisch und witzig, voller Leben. Das ist souverän gemacht, überraschend und berührend. Es ist ein reifes Buch, das Regula Wenger vorlegt, eins, das mit leichten Füssen daherkommt und keinen literarischen Kunstnebel braucht.» Nun liegt ein neues Manuskript auf dem Tisch und ich bin gespannt!

Ein Interview mit Regula Wenger, das die Lust und Vorfreude auf ihr neues Buch schüren soll:

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben? Ganz ehrlich!
Ich möchte beglücken, amüsieren, irritieren und zum Nachdenken anregen. Wenn mir die Leser sagen, dass sie beim Lesen des Buches laut herauslachen mussten, finde ich das fantastisch. Ich werfe in meinem Schreiben einen kritischen Blick auf Zwischenmenschliches und auf die Gesellschaft. Es gibt einiges zwischen den Zeilen zu entdecken – wenn man denn möchte. Wenn ich wählen müsste, ob ich die Leute zum Lachen oder zum Weinen bringen möchte, würde ich mich wohl fürs Lachen entscheiden. Gut ist, dass ich mich nicht zwischen dem einen oder anderen entscheiden muss, denn eine gute Pointe hat meist einen ernsten Ausgangspunkt.

Wo und wann liegen in Ihrem Schreibprozess der schönste oder/und der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente, vor denen Sie sich fürchten?
Beglückende Phasen sind wohl jene, in denen ich nachts über ein Kapitel oder eine Szene nachdenke und ich die Idee über die Nacht hinaus retten und zu Papier bringen kann. Es ist fabelhaft, wenn ich diese Gedanken aus dem Halbschlaf auch sprachlich zufriedenstellend aufs Blatt bekomme – was mir nicht immer gelingt. Schwierig ist es auch, wenn ich mir keine Zeit zum Schreiben nehmen kann, weil mich noch so viel anderes im Leben auf Trab hält, oder wenn ich eigentlich Zeit hätte, aber es nicht schaffe, mich von einem Moment auf den anderen in meinen Stoff zu vertiefen.
Während das Drauflosschreiben viel Spass macht, kann der Überarbeitungsprozess manchmal harzig sein. Das Loslassen von unnötigen Protagonisten oder überflüssigen Szenen ist natürlich auch nicht so einfach. Wunderbar ist es hingegen, wenn ich beim Überarbeiten meiner Texte selber noch einmal lächeln oder wenn ich bei einer ernsteren Passage leer schlucken muss – obwohl ich das Ganze doch selber erschaffen habe. Dann spüre ich eine unbändige Vorfreude darauf, dass sich irgendwann irgendjemand anderes auch durch meine Worte und meine Geschichten berühren lassen könnte.

Lassen Sie sich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Einmal habe ich ein Buch einer Bekannten angefangen zu lesen: Es waren wunderbare, ausführliche Beschreibungen darin, die mich berührt haben, doch ich habe das Buch schnell wieder weggelegt. Ich wollte vermeiden, dass ich mich von dieser Art zu schreiben beeinflussen lasse. Ich bevorzuge einen kürzeren, knapperen Stil, wobei ich ausschliesslich kurze Sätze auch schnell langweilig finde – Rhythmus und Abwechslung sind mir wichtig.
Verführen lasse ich mich ansonsten von allem, was um mich herum geschieht, sehr gern sogar, von Erlebnissen, Gesprächen und Beobachtungen, die während des Schreibprozesses oft direkt in mein Buch fliessen können. Das macht für mich ein Buch dann auch frisch: Wenn ich nicht von Anfang an alles bereits fix geplant und durchstrukturiert habe und ich mich zwischendurch selber überraschen kann. Ich bin aber noch auf der Suche nach der richtigen Mischung zwischen «Das Buch durchdenken und durchstrukturieren, bevor ich mit den ersten Zeilen beginne» und «Einfach mal wild drauflosschreiben und meinen Protagonisten aufmerksam und amüsiert hinterhertraben».

Hat Literatur im Gegensatz zu allen anderen Künsten eine spezielle Verantwortung? Warum sind es vielfach die Schreibenden, von denen man in Krisen eine Stimme fordert?
Die Welt ist komplex und wir sehnen uns nach unabhängigen klugen Köpfen, die Licht ins Dunkel bringen können. Es ist wohl nicht so wichtig, ob das Autorinnen oder Soziologen, Journalistinnen, Philosophen, Bäcker oder Elektromonteure sind. Autoren haben natürlich die Möglichkeit, ihre Meinung und ihre Sicht auf die Welt gut formuliert in der Öffentlichkeit zu platzieren, auch durch Essays oder politische Kommentare. Was ich als Mensch meine, verstanden zu haben, und was mir wichtig ist, möchte ich als Autorin natürlich vor allem in mein literarisches Schreiben verpacken.

Inwiefern schärft Ihr Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
Im Alltag ziehen täglich unzählige Themen an uns vorbei und wir haben nicht unbedingt die Möglichkeit, vertieft darüber nachzudenken. Deshalb ist es für mich bereichernd, mich in einem Schreibprozess über längere Zeit intensiver mit einem Thema zu befassen und allenfalls auch neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Gibt es die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text? Muss man diese Einsamkeit als Schreibende mögen oder tun Sie aktiv etwas dafür oder dagegen?
Die Einsamkeit des Schreibens ermöglicht mir die nötige Konzentration: In diesem stillen Raum entsteht neues Leben. Ich schätze und brauche ihn und habe davon viel zu wenig. Diese Einsamkeit steht übrigens in krassem Gegensatz zu den Zeiten, in denen man mit seinem Buch an die Öffentlichkeit tritt. Es sind komplett unterschiedliche Aggregatszustände, in denen man sich befindet – zwischen einsamer Schreibarbeit und der Präsentation seiner Arbeit vor Publikum. Der Schreibprozess ist entspannter, Lesungen sind dafür aufregender.

Gibt es für Sie Grenzen des Schreibens? Grenzen in Inhalten, Sprache, Textformen, ohne damit von Selbstzensur sprechen zu wollen?
Wenn ich weiss, was ich sagen möchte, es jedoch nicht schaffe, die passenden Worte für ein Gefühl, eine alltägliche Handlung oder einen Vorgang zu finden, stosse ich an eine Grenze – und bin empört. Manchmal lässt sie sich zum Glück doch noch überwinden oder es findet sich ein akzeptabler Umweg oder eine brauchbare Alternative.

Erzählen Sie kurz von einem literarischen Geheimtipp, den es zu entdecken lohnt und den Sie vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen haben?
Ich habe «Baba Dunjas letzte Liebe» von Alina Bronsky lange auf meinem Nachttisch verstauben lassen, weil ich skeptisch wegen des Themas war. Kritisiert wurde, dass sie das verstrahlte Tschernobyl in ihrem Buch verniedliche, ich habe das jedoch nicht so empfunden. Mich hat das Buch berührt.

Zählen Sie Bücher auf, die Sie prägten, die Sie vielleicht mehr als einmal gelesen haben und in Ihren Regalen einen besonderen Platz haben?
Mich hat «Die Wand» von Marlen Haushofer tief beeindruckt. Was für eine Idee! Was für eine Atmosphäre! Ich habe auch dieses Buch lange auf meinem Nachttisch hin und her geschoben, bevor ich überhaupt mit Lesen begonnen habe. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass mich diese Geschichte wirklich fesseln würde. Das tat sie aber – und wie!

Frisch hätte wohl auch als Architekt sein Auskommen gefunden und Dürrenmatt kippte eine ganze Weile zwischen Malerei und dem Schreiben. Wären Sie nicht Schriftstellerin oder Schriftsteller, hätten sich die Bücher trotz vieler Versuche nicht verlegen lassen, hätte es eine Alternative gegeben?
Ich kam über meine journalistische Arbeit zum literarischen Schreiben und bin nach wie vor auch als freie Journalistin und Texterin tätig. Ich habe also bereits eine Alternative zum literarischen Schreiben. In einem anderen Leben würde ich vielleicht alte Möbel restaurieren.

Was tun Sie mit gekauften oder geschenkten Büchern, die Ihnen nicht gefallen?
Ich stopfe sie in eine Tasche und stapfe in Vollmondnächten wutentbrannt in den Wald. Dort verbrenne ich diese Elaborate und verfluche lautstark die verlorene Zeit, die ich mit ihnen verbracht habe. Natürlich schneide ich vorher jedes noch brauchbare Wort aus den Büchern, weil ja nicht alles schlecht sein kann – vielleicht gibt es ein «unerquicklich» oder ein «Wonneproppen», das ich irgendwann noch gebrauchen kann. Wirklich jetzt im Ernst? Bücher in den Müll werfen, das bringe ich nicht übers Herz. Ich lege sie manchmal vor meiner Haustür auf eine Bank, dort verschwindet alles – ein fabelhaftes Bermuda-Dreieck. Ich habe allerdings auch ein schlechtes Gewissen dabei, weil ich das Buch ja nicht gut finde und sich nun vielleicht jemand anderes darüber ärgern muss …

Schicken Sie mir ein Foto von Ihrem (unaufgeräumten) Arbeitsplatz?
Gerne. Kommen Sie dann bei mir vorbei und räumen ihn endlich auf? Auf meinem Schreibtisch zuhause stapelt sich alles Mögliche und Unmögliche, weshalb ich mit meinem Laptop immer an den Wohnzimmertisch ausweiche. Ich habe aber auch herausgefunden, dass sich das Chaos bei Besuch bestens in irgendwelche Schubladen stopfen lässt, die ich dann nie mehr öffne. Im Gemeinschaftsbüro, in dem ich mit anderen freien Journalistinnen und Journalisten eingemietet bin, teile ich meinen Arbeitsplatz mit einer Kollegin. Den Tisch lasse ich deshalb immer aufgeräumt zurück: Siehe Bild. Wenn ich im Schwung bin, wische ich den Tisch noch feucht ab, bevor ich von dannen ziehe. Das Foto, das ich Ihnen sende, stammt also von diesem Bürotisch, an dem ich oft nur noch so tue, als wäre ich Journalistin, aber eigentlich versuche Bücher zu schreiben …

Regula Wenger (1970), Autorin, Kolumnistin und Journalistin in Basel. Ausbildung unter anderem an der Schweizer Journalistenschule in Luzern sowie an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich (Literarisches Schreiben). Arbeitete als Journalistin auf mehreren Zeitungsredaktionen, als Redaktorin und Moderatorin bei einem Lokalradio sowie als Texterin bei einem Kommunikationsunternehmen. Heute ist sie freie Journalistin, Autorin und Kolumnistin in einem Basler Pressebüro. Mitgewinnerin des Schreibwettbewerbs «Geschichten aus der Vorstadt» von Szenart, der Gruppe für aktuelles Theaterschaffen in Aarau (2013). Ihr Roman «Leo war mein erster» ist im Waldgut Verlag (Frauenfeld 2014) erschienen.

literaturblatt.ch fragt, Teil 9, Reinhard Kaiser-Mühlecker antwortet

Ihr neuster Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“ erzählt die Geschichte zweier Brüder, deren Biographie sich immer weiter voneinander trennt. Gleichzeitig ist es die Geschichte über den Schmerz des Verlustes; das Zerbrechen der Familie, das Verschwinden eines Ortes, an den man heimkehren kann. Leiden Sie mit, wenn Sie schreiben?
Leiden würde ich nicht sagen, aber so nah an den Dingen, wie man es beim Schreiben ist, ist man sonst kaum je einmal; und zugleich, seltsam, so fern auch den Worten.
     Da ist ein Hof, auf dem drei Generationen leben und leiden. Allen drei Generationen ist es nicht möglich, sich selbst zu retten; nicht dem Jüngsten Jakob, der den Hof sterben sieht, nicht dem Vater, der mit allen unmöglichsten Geschäftsideen Geld machen will und nicht der Grossvater, der wohl  einiges aus seiner Zeit vor Ende des Weltkrieges hinüberretten konnte. Die Familie als Urbühne aller Konflikte?
Als eine zentrale Bühne, ja; aber meine wichtigste bleibt doch der Einzelne («the human heart in conflict with itself», nannte W. Faulkner es) – ob es für das, was ich zeigen will, dann einen Familienzusammenhang braucht oder nicht, entscheidet das Schreiben. 
     Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben? Ganz ehrlich!
Etwas beschreiben, was außer mir keiner beschreiben kann; eine Wahrheit sagen, die außer mir keiner kennt. Aber ich will doch auch spannende Geschichten erzählen, und wenn mir einer sagt, was oft geschieht, er oder sie habe mein Buch wie einen Krimi verschlungen, ist mir das schon ein Lob. 
     Wo und wann liegen in ihrem Schreibprozess der schönste oder/und der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente vor denen sie sich fürchten?
Das Schreiben selbst ist das Schönste. Quälendes, das einen Stunden oder Tage oder Wochen beschäftigen kann, gibt es zuhauf, aber Furcht kenne ich keine, höchstens die, keine oder zuwenig Zeit zu haben. 
     Lassen Sie sich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Im Grunde lese ich eher vorsichtig, wenn ich schreibe; aber ich lese immer. In  Zeiten der Schwermut oder der Ausweglosigkeit gehe ich dann zu gewissen Autoren, nicht immer zu den gleichen, wie eine kranke Kuh auf der Suche nach dem heilenden Kraut. 
     Inwiefern schärft Ihr Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
Das Schreiben ist mir gemäß. Auch das Briefschreiben übrigens, das ich vernachlässige. Ich habe schon sehr schöne Briefe geschrieben in meinem Leben, bin oft Tage an einem Brief (= fast immer Mail) gesessen. Im Gespräch ist mit mir nicht viel anzufangen, immer weniger eigentlich, oder immer mehr fällt es mir auf; sehr oft will ich gar nicht sprechen. 
     Es gibt die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text. Muss man diese Einsamkeit als Schreibende(r) mögen oder tun Sie aktiv etwas dafür/dagegen?
Ohne Möglichkeit zum Rückzug kann ich nicht schreiben. Ich suche ihn, den Rückzug, und wenn ich ihn nicht finde, schreibe ich immer bloß Wetternotizen. – Ich gehöre aber nicht zu denen, die gerade sehr viel dagegen haben, Zeit alleine zu verbringen. 

  Erzählen Sie kurz von einem literarischen Geheimtipp, den es zu entdecken lohnt und den sie vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen haben?

Im Augenblick lese ich Franz Tumler, den ich hoch schätze und der wegen seiner NS-Sympathisiererei – und wohl noch mehr, weil er sich hinterher nie so recht distanzieren oder rausreden wollte – ziemlich in der Versenkung verschwunden ist. Zum Glück macht der Innsbrucker Haymon Verlag seit einigen Jahren seine wichtigsten Bücher wieder zugänglich.  
     Frisch hätte wohl auch als Architekt sein Auskommen gefunden und Dürrenmatt kippte eine ganze Weile zwischen Malerei und dem Schreiben. Wären Sie nicht Schriftstellerin oder Schriftsteller, hätten sich die Bücher trotz vieler Versuche nicht verlegen lassen, hätte es eine Alternative gegeben? Gab es diesen Moment, der darüber entschied, ob Sie weiter schreiben wollen?
Ich hätte mir irgendetwas gesucht, wo man keinen Vorgesetzten hat. 
     Was tun Sie mit gekauften oder geschenkten Büchern, die Ihnen nicht gefallen?
Manchmal lasse ich eines auf einer Parkbank liegen.

 

Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien.
Sein Debütroman ›Der lange Gang über die Stationen‹ erschien 2008, es folgten die Romane ›Magdalenaberg‹ (2009), ›Wiedersehen in Fiumicino‹ (2011), ›Roter Flieder‹ (2012) und ›Schwarzer Flieder‹ (2014) sowie ›Zeichnungen. Drei Erzählungen‹ (2015). Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung, dem Kunstpreis Berlin, dem Österreichischen Staatspreis und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Zuletzt erschien der Roman ›Fremde Seele, dunkler Wald‹ (2016), der für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert wurde.

literaturblatt.ch fragt, Teil 8, Joachim B. Schmidt antwortet

Joachim B. Schmidt, 1981 im Bündnerland geboren, lebt seit Jahren zusammen mit seiner Familie auf Island. Ein junger Autor, der sich auf zwei Inseln weiss. Ein Talent, das bereits zwei Romane veröffentlichte; 2013 «Küstennähe» und ein Jahr später «Am Tisch sitzt ein Soldat». Im April erscheint sein 3. Roman «Moosflüstern», dem ich von Herzen viele LeserInnen wünsche. Beste Unterhaltung!

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben? Ganz ehrlich! Ich möchte unterhalten. Ich möchte beim Leser Gefühle auslösen. Ich schreibe Bücher, die ich selber gerne lesen möchte. Ich mag es zum Beispiel sehr, wenn mich ein Buch (oder ein Film oder ein Lied) zu Tränen rührt. Beim Schreiben von Moosflüstern habe ich oft geheult. Ich finde das befreiend. Weinen wird leider noch immer mit Schwäche assoziiert. Dabei sind Weinen und Lachen fast dasselbe.

Wo und wann liegen in ihrem Schreibprozess der schönste oder/und der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente vor denen sie sich fürchten?
Ich fürchte mich vor dem ungeschriebenen Werk. Ich habe ein Buch im Kopf, habe vielleicht ein paar Seiten geschrieben, entschliesse mich dann, das Buch zu schreiben, und das macht Angst. Der schiere Zeitaufwand, die brotlose Arbeit, das ist hart und braucht Überwindung. Obwohl alles dagegenspricht, schreibe ich dann trotzdem, denn die Geschichte muss raus. Die schönsten Momente sind die, wenn sich das Buch plötzlich selber zu schreiben beginnt. Manchmal geraten mir die Zügel aus den Händen, ich schreibe Dialoge, wo ich keine Kontrolle mehr habe, ein Stunde geht vorbei wie zehn Minuten, meine Hand schmerzt beim Schreiben, die Protagonisten erwachen zum Leben, ich halte den Atem an, lache manchmal, oder weine. Das sind die allerschönsten Momente, die aber selten sind. Doch ich jage ihnen nach, so oft ich kann.

Lassen Sie sich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Wenn ich nicht mehr weiter weiss, lese ich. Das ist die beste Möglichkeit, einen Schreibstau zu lösen. Wichtig dabei: Das Buch oder den Text, den ich lese, muss gut geschrieben sein. Manchmal genügt eine Seite, dann lege ich das Buch weg und weiss plötzlich genau, wie es in meinem Buch weitergeht. Nicht weil ich abschreibe, sondern weil ein gutes Buch die kreativen Kanäle öffnen kann. Musik hilft auch, um die passende Stimmung im Text zu schaffen. Beim Schreiben höre ich meistens Musik.

Hat Literatur im Gegensatz zu allen anderen Künsten eine spezielle Verantwortung? Oder werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller gegenüber andern Künsten anders gemessen? Warum sind es vielfach die Schreibenden, von denen man in Krisen eine Stimme fordert?
Ich glaube nicht, dass Literatur eine Verantwortung hat, politisch sein oder die Welt verändern soll. Aber sie darf das von mir aus. Wenn sich Schriftsteller in Krisenzeiten äussern, sozusagen das Gewissen der Nation in Worte fassen, finde ich das bewundernd. Ich selber würde mir das nicht zutrauen – zumindest noch nicht, dafür fühle ich mich zu jung und zu unerfahren. Fakt ist, dass ein Buch oder ein Schriftsteller in der heutigen Zeit kaum noch Einfluss nehmen kann. Die Bücher werden von Gleichgesinnten gelesen – wie übrigens die Zeitungsartikel auch: Man liest nur die Kommentare, welche die eigene Meinung bestätigen. Deshalb lesen die Linken die Weltwoche nicht mehr, weil sie ihrem eigenen Meinungsbild nicht entspricht. Deshalb rümpfen Rechte die Nasen über linke Kunst ect. Ein schönes Beispiel ist Trump. Durchs Band haben sich Schauspieler, Schriftsteller ect gegen ihn gewehrt. Eigentlich die ganze intellektuelle Breite Amerikas. Gebracht hats nichts. Die Zeiten haben sich geändert. Dank dem Internet erhält jeder eine Plattform: Der US-Veteran, der die Kriege im Nahen Osten kritisiert, der Parkinson-Kranke, der dank Marihuana ein besseres Leben führt, ect. Ich denke, der Schriftsteller wird nicht mehr gebraucht, um Meinungen zu verbreiten. Die Leute an der Front haben heute eine Stimme.

Inwiefern schärft ihr Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
Durch mein Schreiben spitze ich vermehrt die Ohren. Ich bin ein guter Zuhörer.

Es gibt die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text. Muss man diese Einsamkeit als Schreibende(r) mögen oder tun Sie aktiv etwas dafür/dagegen?
Die Einsamkeit des Schreibens stört mich nicht, aber die physische Bewegungslosigkeit ist ein Problem. Ich vernachlässige meinen Körper. Eigentlich habe ich einen Körper zur Verfügung, mit dem ich über alle sieben Berge wandern könnte, Trockenmauern bauen oder Möbel zimmern könnte. Aber ich brauche nur meinen Kopf und mein Herz. Der Rest wird vernachlässigt. Das ist schade. Die Einsamkeit bleibt mir erspart, da ich Kinder habe und gelegentlich als Tourguide arbeite, also viel schwatzen und erklären muss – das pure Gegenteil zum Schreiben. Wenn die Tage 50 Stunden hätten, wäre ich Schriftsteller, Familienvater, Schreiner, Trockenmaurer, Musiker, Denker …

Gibt es für Sie Grenzen des Schreibens? Grenzen in Inhalten, Sprache, Textformen, ohne damit von Selbstzensur sprechen zu wollen?
Momentan lote ich noch immer meine Grenzen aus. Zum Beispiel in Sexszenen. Wie weit kann man gehen, ohne dem Leser den Lesespass zu verderben? Ohne vulgär zu werden? Doch mit dem eigenen Erwachsenwerden weitet sich glücklicherweise mein Horizont.

Zählen Sie 3 Bücher auf, die Sie prägten, die Sie vielleicht mehr als einmal gelesen haben und in Ihren Regalen einen besonderen Platz haben?

«Bis bald», Markus Werner
«Die kalte Schulter», Markus Werner
«Froschnacht», Markus Werner
«Pferde stehlen», Per Pettersen

Frisch hätte wohl auch als Architekt sein Auskommen gefunden und Dürrenmatt kippte eine ganze Weile zwischen Malerei und dem Schreiben. Wären Sie nicht Schriftstellerin oder Schriftsteller, hätten sich die Bücher trotz vieler Versuche nicht verlegen lassen, hätte es eine Alternative gegeben? Gab es diesen Moment, der darüber entschied, ob Sie weiter schreiben wollen?
Ich bin noch immer auf der Kippe. Wenn ich nicht bald mal meinen Lebensunterhalt als Schriftsteller bestreiten kann, muss ich eine andere Tätigkeit suchen. Momentan verdiene ich mein Brot als Reiseleiter und Filmkritiker.

Was tun Sie mit gekauften oder geschenkten Büchern, die Ihnen nicht gefallen? Es fällt mir schwer, ein Buch fortzuschmeissen, selbst wenn es schlecht ist. Solange der Umschlag schön ist, bleibt es im Regal. In der Regel lese ich ein schlechtes Buch gar nicht zu Ende. Das wäre Zeitverschwendung.

Vielen Dank für das Interview!

Im kleinen Emmentaler Landverlag erscheint im kommenden April «Moosflüstern», ein Roman über einen Mann, der auf Island nach seiner Mutter sucht. Ein Roman, den es unbedingt zu lesen lohnt! Tun Sie es! Ich verspreche Lesevergnügen!

Webseite des Autors

Webseite des Verlags

literaturblatt.ch fragt, Teil 7, Michèle Minelli antwortet.

Hoch über dem Thurtal mit weitem Blick auf die Alpenkette leben die Schriftsteller Michèle Minelli und Peter Höner in einem alten Bauernhaus, dass sie nicht nur für sich als Wohn- und Arbeitshaus benutzen, sondern dieses mit einem Coachingangebot für Schreibende zu einem Schreibhaus werden lassen. Michèle Minelli war bereits einmal Gast in Amriswil zu einer Hauslesung aus ihrem neusten Roman «Die Verlorene».

Peter Höner und Michèle Minelli
Peter Höner und Michèle Minelli

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was willst du mit deinem Schreiben? Ganz ehrlich!
Mich treibt die Dringlichkeit der Geschichte. Aber wenn ich genauer hinschaue, ist da in jeder Geschichte die Geschichte eines Bruchs, und wenn ich den Bruch anschaue, dann sehe ich, dass es das ist, was ich erzählen will. Wie Menschen mit Brüchen umgehen. Mag sein, dass eine Tiefenpsychologin darin etwas Spannendes sieht, über das sie schreiben würde mit der ihr eigenen Dringlichkeit. Mir reicht es, die Geschichte, angetrieben durch den Bruch, schreibend zu erfahren und erfahrbar zu machen.

Die authentische Geschichte der Frieda Keller. Ein Justizskandal. Als Friedas Dienstherr die Tür verriegelt und sich an sie drängt, ist sie verloren. Hinter ihr liegt eine unbeschwerte Kindheit im thurgauischen Bischofszell, vor ihr die jahrelange Schmach einer unerlaubten Mutterschaft. Im aufstrebenden St. Gallen kann sie in der Anonymität der Stadt untertauchen, das Kind hält sie vor allen in einer Kinderbewahranstalt versteckt. Weil der Junge dort aber nicht bleiben darf und sie nicht für ihn sorgen kann, ergreift allmählich ein düsterer Plan von ihr Besitz …
Die authentische Geschichte der Frieda Keller.
Ein Justizskandal:
Als Friedas Dienstherr die Tür verriegelt und sich an sie drängt, ist sie verloren. Hinter ihr liegt eine unbeschwerte Kindheit im thurgauischen Bischofszell, vor ihr die jahrelange Schmach einer unerlaubten Mutterschaft. Im aufstrebenden St. Gallen kann sie in der Anonymität der Stadt untertauchen, das Kind hält sie vor allen in einer Kinderbewahranstalt versteckt. Weil der Junge dort aber nicht bleiben darf und sie nicht für ihn sorgen kann, ergreift allmählich ein düsterer Plan von ihr Besitz …

Wo und wann liegen in deinem Schreibprozess der schönste oder/und der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente vor denen du dich fürchtest?
Für mich ist der schönste Moment, wenn ich die Schlussszene in einem Manuskript schreibe. Ich spare sie mir auf. Ich spare mir diesen Moment auf und will ihn mit viel Zeit geniessen. Den Schluss sehe ich wie auf einer Leinwand vor mir, auf den Schluss schreibe ich zu, und wenn er dann vor mir steht, ist da immer auch ein Moment voll Ehrfurcht, Atemlosigkeit.

Lässt du dich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Ja, ich höre Musik. Jedes Buch, das ich geschrieben habe, jede Geschichte, hat ein besonderes Lied. Ich lasse mir jeweils Zeit, es zu finden, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Und wenn ich es habe, höre ich es in Endlosschlaufe im Hintergrund. Sobald ich also in mein Schreibzimmer gehe, mich hinsetze, den Tee neben mir, und diese Musik einschalte, weiss mein Gehirn: Aha, es geht wieder los! Und dann geht es los.

Inwiefern schärft dein Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
Ich glaube, ich denke klarer, wenn ich schreibe. Scharf genug?

Das Wohn- und Schreibhaus auf dem Iselisberg TG
Das Wohn- und Schreibhaus auf dem Iselisberg TG

Es gibt die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text. Muss man diese Einsamkeit als Schreibende mögen oder tust du aktiv etwas dafür/dagegen?
Wenn damit der Ort in meinem Inneren gemeint ist, an dem ich an mein entstehendes Werk glaube und nicht zweifle, dann ist dieser Ort tatsächlich keine Festhalle. Und doch gibt es Menschen, mit denen ich mich über das Schreiben austauschen kann, die an diesem Ort zugelassen sind, auch wenn die Dinge noch im Prozess sind; das sind dann eben gute Freunde, die wissen, wie man sich an einem solchen Ort benimmt. Das sind, wie ich: Schreibende, die das Schreiben als eine Mischung aus Zauber und Arbeit verstehen und genau wissen, dass Schreiben Bewegung ist, Prozess.
Das wäre eine erste Antwort.
Eine zweite lautet: Ja, diese Einsamkeit gibt es, es ist aber viel mehr ein Alleinsein mit sich und dem Text, denn eine Einsamkeit. Da ist keine Trauer, da ist nur Konzentration.

Zähl bitte drei Bücher auf, die dich prägten, die du vielleicht mehr als einmal gelesen hast und in deinen Regalen einen besonderen Platz haben?
Geprägt haben mich in meiner Jugend die Bücher von Jakob Wassermann («Christian Wahnschaffe» oder «Caspar Hauser» oder die Trilogie «Der Fall Mauritzius», «Etzel Andergast» und «Joseph Kerkovens dritte Existenz»; Joyce Carol Oates (einfach alles, was ich auf Deutsch oder Englisch in die Hände bekam)) und Philippe Djian mit seiner „Betty Blue“. Hin und wieder blättere ich in diesen Büchern auch heute noch und entdecke darin die Michèle von 15, von 17, von 20 Jahren.

headerMichèle Minelli, 1968 in Zürich geboren, ist dort Dozentin für kreatives Schreiben. Sie hat Dokumentarfilme gedreht, Sachbücher, eine Reisereportage und einen Roman veröffentlicht, bevor 2012 ihre grandiose Familiensaga «Die Ruhelosen» erschien. 2013 folgte der Kriminalroman «Wassergrab» Sie erhielt verschiedene Preise und Stipendien. Ihr neuer Roman «Die Verlorene» (2015) erzählt die authentische Geschichte der Frieda Keller, die 1904 in St. Gallen in einem aufsehenerregenden Justizskandal verurteilt wurde. Ebenfalls im Jahr 2015 veröffentlichte Michèle Minelli zusammen mit der Fotografin Anne Bürgisser beim Verlag Hier und Jetzt den Foto- und Textband «Kleine Freiheit» zu den Jenischen in der Schweiz.

Homepage von Michèle Minelli

literaturblatt.ch fragt, Teil 6, Daniela Danz antwortet.

Nachdem ich voller Begeisterung Daniela Danz letzten Roman «Lange Fluchten» gelesen hatte, schrieb ich ihr auf ihrer Webseite einen kurzen Kommentar, etwas das ich gerne tue, in der Hoffnung auf eine Reaktion. Prompt schrieb sie zurück. Und ein paar Tage später begleitete ich sei ein Stück auf ihrer Reise im Zug nach Bern an das dortige Lyrikfestival. Als ich am Romanshorner Hafen wartete, sah ich Sie zusammen mit Peter Stamm oben auf der Brücke über den Autos auf der Fähre. So bestiegen wir zu dritt den Zug und ich genoss ein interessantes Gespräch über Schule, Beruf und das Handwerk des Schreibens.

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben? Ganz ehrlich!
In erster Linie möchte ich wahrscheinlich Textgebilde schaffen, die mich beglücken. Beglücken deshalb, weil ich eine Sache nach meinen Vorstellungen formen konnte, etwas geschaffen habe. In zweiter Linie möchte ich auf diese Weise ein paar Fragen klären, die ich an die Welt habe und hoffe, dass die Antworten, die ich finde, auch anderen nützlich sein können. In dritter Linie brauche ich immer mal Geld für die nicht kleine Familie.

Hat Literatur im Gegensatz zu allen anderen Künsten eine spezielle Verantwortung? Oder werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller gegenüber andern Künsten anders gemessen? Warum sind es vielfach die Schreibenden, von denen man in Krisen eine Stimme fordert?
Das ist eine Frage, über die ich schon sehr oft nachgedacht habe. Also nicht in Bezug auf die anderen Künste; da hat die Konzentration auf die Schriftsteller wohl einfach den praktischen Grund, dass sie zwangsläufig ganz gut mit Worten umgehen können und sich auch gerne von sich aus zu Wort melden. Ich würde jetzt nicht unbedingt einen Schriftsteller aufsuchen, wenn ich Aufschluss über die Weltlage wünschte. Ich frage mich diese Frage aber in der Form: Ist der Autor verantwortlich für die Vereinnahmung und den Missbrauch seiner Werke. Die einfache Antwort ist natürlich: Nein, warum – wenn das Werk nach seinen ihm innewohnenden Maßstäben wahr ist. Und etliche Texte eignen sich ja auch gar nicht zum Missverständnis. Es gibt aber andere, die gerade in Grenzbereiche dieser in der Frage angesprochenen Verantwortung gehen und deren Anliegen es ist, den Leser zu irritieren und ihn seine Position aus der Irritation heraus finden zu lassen. Was ist mit denen?

Inwiefern schärft Ihr Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
DSCN4383_res_cropvMeine eigenen oder die des Lesers? Meine eigenen sowieso, s.o. Falls das auch bei anderen Menschen gelingen sollte, dann wohl am ehesten auf die Art, dass gefestigte Überzeugungen destabilisiert werden und derjenige muß sie dann wieder neu zusammensetzen. Was wir ja sowieso ständig im Leben tun sollten, sobald wir die Kapazität dazu haben. Ich würde gern der Welt die Komplexität, die wir ihr durch die täglichen Routinen (auch des Denkens und Fühlens) nehmen, wieder zurückgeben.

Erzählen Sie kurz von einem literarischen Geheimtipp, den es zu entdecken lohnt und den sie vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen haben?
Eine echte Entdeckung war für mich der Autor Jürgen Kross, den ich im Frühjahr kennengelernt habe und dessen Gedichte ich sehr mag. Sie sind, geprägt von seinem Interesse an lateinischer Syntax, sehr fein gebaute syntaktische Versuchsanordnungen. Ich finde diese kleinen Irritationen und Bedeutungsverschiebungen durch Sprachmaterial wie Hölderlin es ja auch getan hat, das Wichtigste, was Lyrik leisten kann. Dabei sind sie aber ganz schlicht in ihrem Repertoire.
Wie ich Jürgen Kross kennenlernte, ist auch eine schöne Geschichte. Ich kannte den Namen gar nicht als ich in einer Buchhandlung in Mainz nach einem Geschenk suchte und mich über lateinamerikanische Literatur, von der ich wenig Ahnung habe, von dem Buchhändler des kleinen Ladens beraten ließ. Ich kaufte das empfohlene Buch, obwohl der Inhalt mir als Geschenk nicht ganz passend schien, aber alles, was er darüber sagte, war so überzeugend, dass ich ihn bat, das Buch für den Beschenkten zu signieren und mir eine Empfehlung hineinzuschreiben. Seine Schrift war bemerkenswert wie ja auch seine Ausführungen und wir unterhielten uns weiter, wobei ich herausfand, dass er selbst Autor ist.

Zählen Sie 3 Bücher auf, die Sie prägten, die Sie vielleicht mehr als einmal gelesen haben und in Ihren Regalen einen besonderen Platz haben?
Hölderlin: Gedichte
Achmad Schamlu: Blaues Lied (leider der einzige ins Deutsche übersetzte Band und Farsi kann ich leider nicht)
Peter Waterhouse (ungefähr alles von ihm)

Was tun Sie mit gekauften oder geschenkten Büchern, die Ihnen nicht gefallen?
Wir dämmen die Wände im Flur damit, aber das Projekt scheint auch bald abgeschlossen …

Schicken Sie mir ein Foto von Ihrem (unaufgeräumten) Arbeitsplatz?
(Das Foto ziert den Anfang des Interviews.) Ich bin für drei Monate nicht in Deutschland, deswegen kann ich jetzt nur ein Bild vom Schreibtisch hier schicken. Der zu Hause ist sowieso zu groß fürs Bild, ich habe ihn mir über die Länge von anderthalb Wänden gebaut und er ist eigentlich immer ordentlich, weshalb er dann ja auch nicht in Frage kommt.

9783835318410lEine Abenteuergeschichte über die Abgründe des eigenen Ichs, eine moderne Legende – bildmächtig, geheimnisvoll, bezwingend.
Alles um Constantin herum scheint merkwürdig weit weg, auch wenn es auf den ersten Blick aussieht, als wäre alles in Ordnung. Tons lebt mit seiner Frau und zwei Jungen auf einem Grundstück zusammen; aber das Wort «zusammen» beschreibt es nicht ganz: Ein Haus hatten sie einmal bauen wollen, jetzt wohnen sie noch immer in provisorischen Containern in zwei Stockwerken, unten Cons, oben die Frau mit den Kindern. Etwas in Cons wirkt wie zerbrochen; er ist seit seinem «Aussetzer» bei einer Übung als Zeitsoldat, an den er sich nur vage erinnern kann, wie aus der Welt gefallen. Ja, die Welt ist ihm abhanden gekommen. Unfähig, sich von der Fokussierung auf ein Ziel zu lösen, das es nicht mehr gibt, gleitet Cons aus alten Freundschaften und aus dem Leben seiner Familie in eine richtungslose, nächtelange Pirsch.
Angelehnt an die Legende des römischen Feldherrn und Jägers Eustachius schreibt Daniela Danz ein radikales Buch über den Sog des Scheiterns und die vergebliche Tapferkeit eines Mannes, der sich noch einmal mit aller Macht der Fluchtlinie seines Lebens entgegenstemmt, bevor er in eine alptraumhafte Irrealität sich überschlagender Ereignisse gerät.

Porträt Daniela Danz

Daniela Danz wurde 1976 in Eisenach geboren und lebt in Kranichfeld. Sie studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Tübingen, Prag, Berlin, Leipzig und Halle und promovierte über den Krankenhauskirchenbau der Weimarer Republik. Seit 2002 ist sie freiberufliche Autorin und Kunsthistorikerin. 2010 gründete sie die Internationale Schülertextwerkstatt svolvi und bekleidet seit dieser Zeit einen Lehrauftrag an der Universität Hildesheim. Daniela Danz ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz und leitet seit Juni 2013 das Schillerhaus in Rudolstadt.

Vielen Dank an Daniela Danz! Anfang Oktober folgt das Interview mit Michèle Minelli. Seien Sie wieder Dabei!

 

literaturblatt.ch fragt, Teil 5, Dominique Anne Schuetz antwortet

Dominique Anne Schuetz, ihre beiden letzten Romane «Die unsichtbare Grenze» und «Von einem, der auszog, die Welt zu verschieben» sind beim Europa Verlag erschienen, ist mehr als «nur» Schriftstellerin. Das sieht man, wenn man ihre Webseite besucht und wenn man ihr bei einer Lesung zuhört. Sie bewegt!

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was wollen Sie mit Ihrem Schreiben? Ganz ehrlich!
Ich möchte ungewöhnliche Geschichten erzählen, die nachwirken. Die Sprache ist mir wichtig, aber nicht als Selbstläufer. Durch mein Studium und meine Tätigkeit als Künstlerin bin ich auch stark optisch geprägt und mag das «bildliche» Schreiben, nicht nur die Figuren sollen ein Gesicht erhalten, auch die Orte sollen erlebbar werden. Deshalb fällt z. B. auch mein Aufwand für Recherchen stets sehr umfangreich aus.image[1]

Wo und wann liegen in ihrem Schreibprozess der schönste oder/und der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente vor denen sie sich fürchten?
Schwierig ist eigentlich nur, dass es so lange dauert, bis ein Roman geschrieben ist und in gedruckter Form vorliegt. Das Schöne an der Schriftstellerei ist die Freiheit während des Schreibprozesses. Ein bekannter Filmregisseur sagte einmal: Er habe aufgehört, während des Drehs Ideen zu entwickeln, weil jede dieser Ideen mindestens 50’000 Dollar koste. Da haben es die Literaten entschieden einfacher.

Lassen Sie sich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Mit meinem ausgedehnten Fitnessprogramm bereite ich mich auf die Arbeit vor. Das leert den Kopf und bringt mich auf neue Ideen.
Ohne Musik kann ich nicht schreiben. Ich brauche jedoch einen speziellen Sound: Soul, Neo Soul, Nu Jazz, Acid Jazz, Latin mit Soul- und Jazzeinflüssen, Louisiana Blues, Funk.

Hat Literatur im Gegensatz zu allen anderen Künsten eine spezielle Verantwortung? Oder werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller gegenüber andern Künsten anders gemessen? Warum sind es vielfach die Schreibenden, von denen man in Krisen eine Stimme fordert?
Kunst hat immer eine Verantwortung, sonst ist es keine Kunst. Ich mag das Zitat des finnischen Architekten Alvar Aalto, der sagte: »Es gibt nur zwei Dinge in der Architektur: Menschlichkeit oder keine.»
Dass man von den Autoren mehr erwartet, hat mit der Macht des Wortes zu tun. Meines Wissens wurde noch kein Krieg mit einem Gemälde oder einer Oper entfacht bzw. beendet, sondern stets mit Worten.

Inwiefern schärft Ihr Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
In meinen letzten vier Romanen ging es um Rassismus, um den Umgang mit Andersartigen, um Ideologien oder auch um die Schuldenwirtschaft. Jedoch verpacke ich solche Inhalte stets in einen Roman, der stark von den Figuren und ihren Entwicklungen geprägt ist. Ich will nicht meine Meinung zwischen den Buchdeckeln lesen, sondern indirekt Denkanstösse geben. Wie die vielfältigen Reaktionen zeigen, findet eine Auseinandersetzung mit meinen Stoffen sehr wohl statt, auch wenn ich die Themen nicht laut in den Vordergrund stelle.

Es gibt die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text. Muss man diese Einsamkeit als Schreibende mögen oder tun Sie aktiv etwas dafür/dagegen?
Die Einsamkeit ist kein Problem, weil ich mich während des Schreibprozesses in einer völlig anderen Welt befinde.

Gibt es für Sie Grenzen des Schreibens? Grenzen in Inhalten, Sprache, Textformen, ohne damit von Selbstzensur sprechen zu wollen?
image[1] (2)Obwohl persönliche Erfahrungen Eingang in meine Bücher finden, würde ich nie eine Autobiografie schreiben. Das ist mir zu sehr Seelenstriptease. Auch würde ich keinen Roman schreiben, bei dem man mir ein Thema vorgibt, und als Coautorin für Prominente wäre ich ebenfalls eine Fehlbesetzung.

Erzählen Sie kurz von einem literarischen Geheimtipp, den es zu entdecken lohnt und den sie vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen haben?
«Dreamland» von Kevin Baker. Habe den Roman gerade zum zweiten Mal gelesen. (OKay, vielleicht nur ein halber Geheimtipp.)

Zählen Sie 3 Bücher auf, die Sie prägten, die Sie vielleicht mehr als einmal gelesen haben und in Ihren Regalen einen besonderen Platz haben?
Als Kind: «Hauffs Märchen». Ich mochte keine Hanni-und-Nanni- oder ähnliche Bücher, sondern hatte eine Schwäche für Märchen. Hauff war mein Liebling, da seine Geschichten oft exotisch und auch etwas gruselig waren.
Als junger Teenager: «Die Verwandlung» von Franz Kafka. Das Buch hat mir die Tür zur Literatur geöffnet.
Später: «Wassermusik» von T. C. Boyle. Kreativ, bildstark, atemlos, sprachlich einzigartig.

Was tun Sie mit gekauften oder geschenkten Büchern, die Ihnen nicht gefallen?
Ich bekomme selten Bücher geschenkt, weil die Leute da eine gewisse Scheu haben und mir lieber eine Flasche Wein bringen (was auch ganz gut ist). In mein Regal kommen nur absolute Lieblingsbücher. Ich gebe viel weg, da ich lieber mit leichtem Gepäck lebe.

Schicken Sie mir ein Foto von Ihrem (unaufgeräumten) Arbeitsplatz?
(Das Foto ziert den Anfang des Interviews.) Mehr Unordnung kann ich leider nicht bieten. Im Hintergrund läuft übrigens grad Leela James ☺.

dominique-anne-schuetz[1]Dominique Anne Schuetz, geboren in Winterthur, aufgewachsen in St. Gallen, ist Mutter von zwei Söhnen und lebt in der Nähe von Zürich. Sie war Creative Director und hat zahlreiche Preise erhalten. Heute ist sie erfolgreich als Künstlerin und Autorin tätig und wurde für ihr literarisches Schaffen ausgezeichnet.

Vielen Dank an Dominique Anne Schuetz!

Mitte September folgt ein Interview mit Daniela Danz. Ich freue mich!

Am 22. Oktober, 2016, von 11 Uhr bis ca. 13 Uhr liest die Autorin bei Irmgard & Gallus Frei-Tomic, St. Gallerstrasse 21, 8580 Amriswil
(unbedingte Anmeldung unter gallus.frei-tomic@gmx.ch) oder übers Kontaktformular dieser Webseite!

Anja Geburi 2

literaturblatt.ch fragt, Teil 4, Beat Brechbühl antwortet.

beat_brechbuehl_Foto_Amanda-GaechterBeat Brechbühl ist Schriftsteller, Dichter und Verleger, unermüdlicher Kämpfer für die Poesie und seit seiner Erstveröffentlichung «Kneuss» 1970 bis zu seiner neusten Veröffentlichung «Farben, Farben» 2015 ein ganzes Leben in Sachen Literatur unterwegs. 1939 in Oppligen, Kanton Bern, geboren, lernte er zuerst Schriftsetzer, wurde dann Redakteur und Verlagsmitarbeiter. Heute lebt Beat Brechbühl als Schriftsteller von Lyrik und Prosa, als Gestalter und Verleger (Waldgut Verlag) in Frauenfeld im Thurgau, Schweiz. Für sein schriftstellerisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der Schweizerischen Schillerstiftung, dem Bodensee-Literaturpreis, dem Kulturpreis des Kantons Thurgau und dem Buchpreis der Stadt Bern. Zuletzt erhielt er den Anerkennungspreis der Stadt Frauenfeld (2009).

Es gibt Schreibende, die Geschichten erzählen wollen, mit Spannung fesseln. Andere, die politische und gesellschaftskritische Inhalte und Meinungen in literarisches Schreiben verpacken. Was willst du mit deinem Schreiben? Ganz ehrlich!
Für mich ist das Leben: Geschichten. Einige davon finde ich so interessant oder komisch oder ekelhaft, dass ich sie andern erzählen will.

Wo und wann liegen in deinem Schreibprozess der schönste, der schwierigste Moment? Gibt es gar Momente vor denen du dich fürchtest?
Schreiben ist für mich immer schwierig. Ich habe nie leicht geschrieben (Was ist das?). Wie bei anderer Arbeit: Manchmal machts (skeptische) Freude, manchmal machts Ärger (einem selbst und andern), manchmal will ich es einfach machen.
Höhepunkt ist vielleicht, wenn ich die Schreibe gelungen finde. Tiefpunkte: Wenn ich im Thema stecken bleibe, wenn ich die Sprache nicht finde, wenn es mir verleidet. Wer sich vor seinem Schreiben fürchtet, soll es bleiben lassen und etwas anderes tun.

Lässt du dich während des Schreibens beeinflussen, verleiten, verführen? Spielen andere Autorinnen und Autoren, Bücher (nicht jene, die es zur Recherche braucht), Musik, besondere Aktivitäten eine entscheidende Rolle?
Ich lasse mich von Vielem ver- und entführen, denke herum, schwärme, ärgere mich, rege mich auf – doch irgendwann muss die Arbeit die Form und Straffheit bekommen, die ich mir vorgestellt und vorgenommen habe. Und am Schluss wird gekürzt. Das tut oft weh, aber viel weher machts mir, wenn für mich Unnötiges in einem Gedicht, in einer Geschichte drinbleibt.

Hat Literatur im Gegensatz zu allen anderen Künsten eine spezielle Verantwortung? Oder werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller gegenüber andern Künsten anders gemessen? Warum sind es vielfach die Schreibenden, von denen man in Krisen eine Stimme fordert?
Was mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist: die Gesellschaft. Das gesellschaftliche Zusammenleben. Das friedliche, kreative, selbstverständliche Zusammenleben mit uns Menschen, mit den Tieren, der Erde, der Zukunft. Das ist für mich die / unsere Chance; nicht die einzige, aber die wichtigste. Diesen Sätzen brauche ich nicht anzufügen, dass ich mich dafür in voller Verantwortung denke und fühle; und oft nicht nur für meinen Teil.

Inwiefern schärft dein Schreiben Sichtweisen, Bewusstsein und Einstellung?
Klar schau (höre, spüre, fühle) ich besser hin, wenn ich etwas wieder- oder/und weitergeben will.

Es gibt die viel zitierte Einsamkeit des Schreibens, jenen Ort, wo man ganz alleine ist mit sich und dem entstehenden Text. Muss man diese Einsamkeit als Schreibender mögen oder tust du aktiv etwas dafür/dagegen?
Wenn ich schreibe, versuche ich mich zu isolieren; ich schalte alle möglichen Stör- und Ablenkungsfaktoren aus und ab. Ich will möglichst intensiv in der Geschichte, im Gedicht drin sein, leben, Musik soll mich nicht beeinflussen oder ablenken; die muss in der Geschichte, im Gedicht drin sein. Ich trinke zB keinen Wein zum Schreiben, nur selbst angesetzten Tee.

Gibt es für dich Grenzen des Schreibens? Grenzen in Inhalten, Sprache, Textformen, ohne damit von Selbstzensur sprechen zu wollen?
Ich kenne auch beim Schreiben viele Grenzen. Meist sind es die selbstgesetzten, die einen fördern, fordern, oder hemmen. Grenzenlos ist für mich ein Begriff, in dem ich die Grenzen nicht sehe, spüre, merke. Grenzen nehme ich oft positiv; ich arbeite mit ihnen, selten abweisend. Die bequemsten Grenzen sind die, die ich nicht merke, oder nicht merken will.

Erzähl kurz von einem literarischen Geheimtipp, den es zu entdecken lohnt und den du vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen hast?
Was soll ich Geheimtipps verbreiten? Wen es interessiert, soll unser Verlagsprogramm lesen. Wenn ich davon Namen nennen würde, wäre das ungerecht und anmaßend. Also: www.waldgut.ch

Zähl doch 3 Bücher auf, die dich prägten, die du vielleicht mehr als einmal gelesen hast und in deinen Regalen einen besonderen Platz haben?
Robert Walser «Der Gehilfe» (Selbstverständlich habe ich damals die etwa 11bändige Ausgabe im Kossodo Verlag Genf gelesen. Und alles andere auch.)
Arno Schmidt «Zettels Traum» (Auch da: alles alles gelesen. Nur nicht mehr die Suhrkamp Ausgabe; ich kannte das ja alles….)
Orhan Veli Kanık «Fremdartig»

Frisch hätte wohl auch als Architekt sein Auskommen gefunden und Dürrenmatt kippte eine ganze Weile zwischen Malerei und dem Schreiben. Wärst du nicht Schriftstellerin oder Schriftsteller geworden, hätten sich deine Bücher trotz vieler Versuche nicht verlegen lassen, hätte es eine Alternative gegeben? Gab es diesen Moment, der darüber entschied, ob du weiter schreiben willst?
Mit 25 musste ich mich entscheiden: Fotografie oder Schreiben. Da damals in der Fotografie eine neue Mode herrschte (ran ans Objekt ohne Hemmungen…), war mir klar: Schreiben. – Schreiben aufhören, fertig, aus…? Was ist das? Kenn ich nicht.

Was tust du mit gekauften oder geschenkten Büchern, die dir nicht gefallen?„Bücher, die mir nicht gefallen?“ Mir soll ein Buch nicht „gefallen“; ich kaufte Bücher wegen ganz andern Kriterien, zB: muss das haben, will das haben, spricht mit mir, erweitert mich, bringt für mich Neues, usw.
Geschenkt bekomme ich selten etwas, Bücher noch seltener. Wenn ich die nicht haben möchte, kann ich das vielleicht sagen – oder ich sag nix und lege die Bücher an unserem Flohmarkt auf.

Schick mir bitte ein Foto von deinem (unaufgeräumten) Arbeitsplatz.
Fotos von meinem Arbeitsplatz gibt es nicht.
1. hab ich leider schon seit Jahrzehnten keinen Fotoapparat mehr; von einem digitalen rede ich seit Jahren, und
2. handy Foto kann und will ich nicht.
3. Lohnt sich nicht zu fotografieren: Schreibtisch mit Computer drauf. Alles andere soll in meinem Kopf sein; Gedichte schreibe ich nach wie vor von Hand.

Weil ich nicht…

1

Weil ich nicht öffentlich reden kann
und im Live-Interview nicht viel tauge,
bin ich Schriftsteller geworden.

Weil ich nicht singen kann,
bin ich Lyriker geworden.

Weil ich nicht zeichnen und malen kann,
bin ich Gestalter geworden

Weil ich eine charakterlose Handschrift habe,
bin ich Typograph geworden

2

Weil ich nicht schlafen kann,
bin ich Tag- und Nachwandler geworden.

Weil ich nie Motorrad fahren konnte,
bin ich Fussgänger geworden.

Weil ich nicht lügen kann,
bin ich Dichter geworden.

Weil ich dies&das lachen kann,
bin ich kein Humorist geworden.

H1198_200_301Das Gedicht geht noch viel weiter und entstammt seinem Gedichte-Band «Böime, Böime! Permafrost & Halleluja! Erschienen 2014 beim Wolfbach Verlag, Zürich

Lieber Beat Brechbühl, vielen Dank!

Das war der 4. Teil einer kleinen Reihe. Anfang September antwortet Dominique Anne Schuetz. Seien Sie wieder dabei!