Hauslesung mit Catalin Dorian Florescu

Catalin Dorian Florescu, Schweizer Buchpreisträger 2011, besuchte im September Amriswil, erzählte und las aus seinen Büchern, verzauberte ein Wohnzimmer mit seinen Geschichten genauso wie mit seiner flammenden Leidenschaft. Geschichten spielen nicht in Büchern. Catalin Dorian Florescu findet sie in Begegnungen, in seinem Herkunftsland Rumänien, trägt sie mir sich, seine sechs Roman wie ein nie versiegender Kosmos, der seine Strahlung nie kleiner werden lässt.

Am Morgen danach sassen meine Frau und ich in der Stube mit Blick auf den Stuhl, der immer noch vor dem Fenster stand. „Catalin ist immer noch da“, sagte meine Frau. Und das stimmte. Die Luftströme im Raum wirbeln noch immer von seinen Gesten, die Erzählungen hängen im Raum vor dem Bücherregal. Es waren drei wunderbare, intensive, unvergessliche Stunden. Jenen, die da waren, brannte Catalin Dorian Florescu tief in ihre Seele.

«Liebe Irmgard, lieber Gallus,
In all den Jahren, seitdem ich schreibe und veröffentliche, sind mir immer wieder Menschen begegnet, die mich daran erinnerten, worum es beim Lesen geht: Um die Bereitschaft, sich von einem Text mit dem ganzen Wesen ergreifen zu lassen. Ihr seid zwei davon, und ich danke euch – auch bestimmt im Namen vieler anderer Autoren – dass euch beim Lesen Begeisterung, Herz, Leidenschaft leiten. Der Vormittag bei euch, umgeben von all den Büchern, mit den netten Zuhörern und den tollen Leckereien war ein Aufsteller!! Lieben Dank, Catalin Florescu»

«Fremdheimisch»: Catalin Dorian Florescu (Teil 1) Hörpunkt SRF 2

 

„Der letzte Schnee“ im letzten Schnee? Arno Camenisch in Amriswil

Zwei grosse Geschichtenerzähler an einem Schlepplift. Zwei Wartende, zwei Philosophen, der eine schwatzend, der andere mehrheitlich zuhörend. Plaudernd und fabulierend der eine, kommentierend der andere. Zwei, auf Schnee wartend, richtigen Schnee, so wie damals, früher. Buchhändlerin Brigitta Häderli lud den «James Dean» der CH-Literatur nach Amriswil ein. Hätte sie nicht ihren ehemaligen Laden zur Verfügung gehabt, hätte der  Ansturm auf die Matinée den neuen Laden an der Freiestrasse überrannt.

Der Schlepplift ist ein alter Freund. Das beruhigende Geratter, das immerwährende Auf und Ab. Der Allererste im Kanton, einst der Nabel der Welt, ein «Schlepper», die «ehrlichste Form, den Berg hinaufzukommen». Aber weil Petrus droht, den weissen Zucker zu entziehen, warten die beiden, Paul mit dem Feldstecher (Fernglas) in der Hand, mit Blick aufs Dorf und die Welt, aber vornehmlich rückwärts gewandt.

Die Presse lobt «Der letzte Schnee», überschüttet ihn mit Qualitäten, vergleicht ihn gar mit «Warten auf Godot» von Samuel Beckett. Verzückt vom ganz eigenen Sound, den der Surselver nicht nur ins Buch bannt, sondern wie ein Rockmusiker stehend ins Mikrophon performt, mit viel Atem, dem Slang, den der Bündner mit Leidenschaft zelebriert.

Paul und Georg schwelgen in Erinnerungen, den guten, alten Zeiten, als der Berg noch war, was er verspricht; Spektakel, Pilgerort, als noch Leben in und um den Mannen das Leben ausmachte. Aber das Leben droht mit dem Verschwinden des grossen Schnees mit Rückzug.

«Sterben will man gut», sagt Paul zu Georg. Weil der Schnee nicht mehr mitspielt und den Berg zum Sterben teibt. Weil kaum mehr jemand kommt und sich anbügeln lässt, wird gar die Unfallübung unter den beiden Übriggebliebenen ausgetragen. Paul und Georg sind die Letzten. Pflichtbewusst und umtriebig selbst ohne Gäste. selbst dann, wenn der grosse Schnee auf sich warten lässt.

Arno Camenisch ist längst zur Marke geworden. Camenisch ist Camenisch ist Camenisch. Camenisch spielt sich selbst, spielt Paul und Georg, zelebriert den Schnee von gestern, den rauen, ungeschliffenen Ton. Camenisch muss Camenisch bleiben. Das Rattern des alten Schlepplifts, Baujahr 71 ist das Rattern seiner Stimme. Auch der nächste Camenisch wird ein unverkennbarer Camenisch sein, ein erfolgreiches Nischenprodukt der Literatur, das nicht zuletzt wegen seiner Einmaligkeit glänzt. So wie seine Bücher aus dem Engeler Verlag als Einheit in Erscheinung treten, bleibt Camenisch mit jedem Buch Camenisch. Es ändert sich bloss die Färbung.

«Auf dem Sonnenschirm steht Sinalco» (ein urtypisch schweizer Süssgetränk, seit über 100 Jahren!). Eine untergehende Welt. «Draussen lernt man mehr als drin!» Heute noch? Paul und Georg sind «Urtiere» des Beamtentums, auch wenn sie sich so sicher nicht mehr sind. So wie sie den Gletschern durch das Fernglas beim Schmelzen zusehen, sehen sie die Vergangenheit, das bisher Verlässliche wegschmelzen. Sie legen «Zwei Brettli auf zwei Böckli und ein Paar Blizzard (Skis) drauf», hocken in der Sonne und sehen den Schnee tropfen. Sie erzählen Geschichten. Vom Bügellift, der einst Weltbühne war, besucht von Prinzen, denen man nach jedem Rank applaudierte, dem Amerikaner mit seinen fünf Meter langen Brettern – Hauptsache die längsten. Sie drehen am alten Radio mit der abgeknickten Antenne und hören selbst da bloss noch das Rauschen.

Arno Camenisch ist ein Ereignis.

Arno Camenisch, 1978 in Tavanasa im Kanton Graubünden geboren, schreibt auf Deutsch und Rätoromanisch. Er studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel, wo er auch lebt. 2009 erschien im Engeler-Verlag der Roman „Sez Ner“, 2010 „Hinter dem Bahnhof“, 2012 „Ustrinkata“, 2013 „Fred und Franz“, 2014 „Nächster Halt Verlangen“, 2015 „Die Kur“, 2016 „Die Launen des Tages“, 2018 „Der letzte Schnee“. Seine Texte wurden in über 20 Sprachen übersetzt und seine Lesungen führten ihn quer durch die Welt, von Hongkong über Moskau und Buenos Aires bis nach New York. Im März 2015 strahlte das Schweizer Fernsehen und 3sat den Dokumentarfilm “Arno Camenisch – Schreiben auf der Kante” aus.

Webseite des Autors

Titelfoto: Pascal Häderli

Zora del Buono in Amriswil, «Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt»

Zora del Buono beehrte Amriswil, las an der St. Gallerstrasse aus ihrem neusten Roman «Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt» und ihrem Baumgigantenbuch «Das Leben der Mächtigen» vor. Eine Matinee vor ausgesuchtem Publikum, an einem wunderschönen Sonntag. Genuss pur!

«Einen besseren Start in den Frühling könnte man sich gar nicht wünschen: Eine bezaubernde Fahrt durch den Thurgau, eine handschriftlich verzierte Mauer, ein Haus, dekoriert wie eine Wundertüte, gefüllt mit netten Leuten, die zu aufmerksamen Zuhörern werden. Dazu noch Traubensaft, Wein und Käse. Und als Krönung jede Menge gute Gespräche. Das war ein wirklich schöner Anlass. Vielen Dank.» Zora del Buono

mit der Schriftstellerin Marianne Künzle

«Manchmal, je nach Tagesverfassung, befällt einen die Schüchternheit, in sehr kleinem Rahmen unter Menschen die man nicht kennt. Nicht bei Irmgard und Gallus, wo Gespräche entstehen, Begegnungen – einfach so!» Marianne Künzle

mit dem Musiker und Komponisten Daniel Schneider

9. Hauslesug mit Dominique Anne Schuetz

Sie sind eingeladen!

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Am Samstag, 22. Oktober, von 11 bis ca. 12.30 Uhr, liest die Schriftstellerin Dominique Anne Schuetz aus ihrem Roman «Von einem, der auszog, die Welt zu verschieben» an der St. Gallerstrasse 21 in Amriswil. Sie sind herzlich dazu eingeladen.

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Die Platzzahl für die Hauslesung ist begrenzt. Melden Sie sich bitte an mit dem Kontaktformular oder unter der Telefonnummer 071 695 36 69 oder unter gallus.frei-tomic@gmx.ch.

 

Am 12. September: Lesung von Jan-Philipp Sendker in Amriswil

Marianne Nagel, über Jahrzehnte hochgeschätzte Buchhändlerin in Amriswil, organisiert noch einmal eine Lesung mit Jan-Philipp Senker, der sich 2002 mit «Herzenhören» nicht nur in die Herzen der Amriswiler schrieb. Am 12. September wird der Potsdamer Schriftsteller um 20 Uhr im Kulturforum Amriswil die Buchvernissage seines neuen Romans «Am anderen Ende der Nacht» mit Amriswil feiern. 

Noch einmal Signieren in der Buchhandlung Marianne Nagel, Amriswil
2015: Noch einmal Signieren in der Buchhandlung Marianne Nagel, Amriswil

„Mein neuer Roman kreist um die Frage, ob es ein Leben ohne Vertrauen geben kann. Und ob wir die Fähigkeit zu vertrauen jemals zurückgewinnen, haben wir sie erst einmal verloren.“

Auf einer Chinareise erleben Paul und Christine einen Albtraum: Ihr vierjähriger Sohn wird entführt. Zwar gelangt David durch glückliche Umstände wieder zu ihnen, doch die Entführer geben nicht auf, sie wollen ihn zurück. Der einzig sichere Ort für die Familie ist die amerikanische Botschaft in Peking. Aber Bahnhöfe, Straßen und Flughäfen werden überwacht. Ohne Hilfe haben sie keine Chance, dorthin zu gelangen. Wer ist bereit, ihnen Unterschlupf zu gewähren und dabei sein Leben aufs Spiel zu setzen? Wem können sie trauen?
«Am anderen Ende der Nacht» erzählt von Menschen, die nicht mehr viel zu verlieren haben und sich gerade deshalb ihre Menschlichkeit bewahren.

imgresJan-Philipp Sendker, geboren in Hamburg, war viele Jahre Amerika- und Asien Korrespondent des Stern. Nach einem weiteren Amerika-Aufenthalt kehrte er nach Deutschland zurück. Er lebt mit seiner Familie in Potsdam. Bei Blessing erschien 2000 seine eindringliche Porträtsammlung «Risse in der Großen Mauer». Nach dem Roman-Bestseller «Herzenhören» (2002) folgten «Das Flüstern der Schatten» (2007), «Drachenspiele» (2009) und «Herzenstimmen» (2012).

Jan-Philipp Senker liest in Amriswil vor "Heimpublikum", vollem Haus im Kulturforum.Foto Manuel Nagel
Jan-Philipp Senker liest in Amriswil vor «Heimpublikum», vollem Haus im Kulturforum. Foto Manuel Nagel

Moderiert wird der Anlass von Luzia Stettler, SRF-Literaturkritikerin, 2011 zum «Büchermensch des Jahres» erklärt.

Marianne Nagel: «Dies wird meine letzte Veranstaltung sein, mein literarischer Abschied von den Bücherfreunden und von Amriswil. Schön, wenn Sie mit dabei sind.»

Tickets inkl. Apero 25.- Fr. bei Marianne Nagel, Sonnenhügelstrasse 22, 9320 Arbon, 071 411 10 26 oder 076 411 10 26 oder buchhandlung.nagel@bluewin.ch

50. Nationaler Wettbewerb von Schweizer Jugend forscht: «Mein Vater wurde verfolgt» Lea Hildegard Frei (20) aus Amriswil (TG)

Schweizer-Jugend-forschtLea Hildegard Frei aus Amriswil erstellte eine Graphic Novel über eine vietnamesische Flüchtlingsfamilie. „Ich will begeistern, lehren, aufzeigen, aufwühlen, berühren, erzählen und hinterfragen.“

Wie lautet der Titel deines Projektes?
«Ein Leben für das Illustrieren»
Wie ist es dazu gekommen, dass du dich für dieses Thema entschieden hast?
Schon seit ich mich an einen Berufswunsch erinnere, war dieser eine Illustratorin zu werden. Ich zeichne schon immer oft und gerne. Noch heute ist die Welt der Illustration meine Leidenschaft. Die 9. Kunst (Comic und grafische Novellen) fasziniert mich besonders. Die Graphic Novel ist mein Lieblingsmedium. Mein Ziel ist es, mich als Comicautorin zu verwirklichen. Die Arbeit sollte mich mit dem Umgang, eine eigene grafische Novelle zu erschaffen, weiterbilden. Meine Berufung sollte sich bestätigen. Es sollte der erste grosse Schritt zu meinem Traum werden.
Worum geht es in deiner Arbeit?unspecified-1
Die zentrale untersuchte Fragenstellung meiner Arbeit war, wie man eine grafische Novelle anfertigt. Der Prozess von der Ideensuche, der Gedankenschwangerschaft zur mühevollen Geburt einer kurzen Graphic Novel, welche die wahre Geschichte einer vietnamesischen Flüchtlingsfamilie illustriert, stand im Fokus.
Was hast du mit deiner Arbeit herausgefunden?
Meine Arbeit bestätigt meine Fähigkeiten und meine Ziele. Neben vielen technisch erlernten Fertigkeiten gewann ich einen breiten Einblick in das kunstvolle und stark unterschätzte Erschaffen einer Graphic Novel. Die Sprache der visuellen Kommunikation ist hochinteressant und hat es mir stark angetan.
Was möchtest du mit deiner Arbeit bewirken?unspecified-2
Kommunikation ist unser Lebenselixier. Meine Arbeit soll aufzeigen, reizen und die Menschen erreichen. Mein Comic zeigt die Erzählung einer Flüchtlingsfamilie, ein sehr aktuelles Thema und doch nur einer von vielen Aspekten, die die Weiterentwicklung und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen uns Handelnden fördert. Ich möchte weiterlernen, mit Interessierten diskutieren und die interessante Welt entdecken, sie einfangen und das Gelernte in einer globalen Sprache weitergeben.

«Lea Frei hat in einer kurzen Zeit ein berührendes, authentisches und poetisches Portrait zu einem zeitaktuellen Thema geschaffen und lässt uns in die Welt von Menschen blicken, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.» Würdigung durch Expertin Annette Gehrig, Kuratorin und Leiterin Cartoonmuseum Basel

Sonderpreis Academia Engelberg (Teilnahme an der dreitägigen Wissenschaftskonferenz in Engelberg. Die Teilnehmenden aus verschiedenen Nationen, Kulturen und Religionen diskutieren 2016 über das Thema «Im Grenzenbereich».)

Text von sjf.ch
Bilder von «Riechsteiner Fotografie, Schweizer Jugend forscht»